Die Drei Perspektiven der Asylpolitik
Mit Empörung lässt sich nur begrenzt Politik machen. Reflexhaft hat der Vorstoß von Innenminister de Maizière, syrischen Flüchtlingen nicht mehr automatisch den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention zuzusprechen, Empörung ausgelöst.
Mit Empörung lässt sich nur begrenzt Politik machen. Reflexhaft hat der Vorstoß von Innenminister de Maizière, syrischen Flüchtlingen nicht mehr automatisch den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention zuzusprechen, Empörung ausgelöst.
Gleichwohl ist er mit atemberaubender Geschwindigkeit zur beherrschenden Diskussionsgrundlage geworden, der mit einem Mal denen Probleme bereitet, die ihm nicht folgen wollen.
Eine Betrachtung unter drei Blickwinkeln.
Die Machtperspektive: Der Doppelpass, mit dem de Maizière und Wolfgang Schäuble in dieser Frage das Kanzleramt ausgetrickst haben, kam einer Art Putsch gegen Angela Merkel gleich. Das heißt, er käme ihm gleich, wenn sich die Kanzlerin und Parteivorsitzende in ihrer beispiellosen Wendigkeit nicht auf die Seite der Putschisten geschlagen und die neue Härte zu ihrer eigenen umgedeutet hätte. Frei nach Adenauer handelt Merkel nach der Devise, "was stört mich mein Gesichtsverlust von gestern?" Um diesen Preis versöhnt sie sich mit ihrer Partei und reicht den Schwarzen Peter an die SPD durch. Von Kanzlerindämmerung keine Spur.
Die rechtliche Perspektive: Juristisch betrachtet richtet sich die Empörung gegen die Wiederherstellung des Rechts. Artikel 16 des Grundgesetzes garantiert bekanntlich ein Individualrecht, dessen Überprüfung nur aus der Not der hohen Flüchtlingszahlen heraus sowie der Unfähigkeit des zuständigen Bundesamtes erst vor einem Jahr für syrische Flüchtlinge ausgesetzt wurde. Die Frage lautet also eigentlich nicht, ob dieser Schritt richtig ist, sondern ob das Bundesamt inzwischen wieder in der Lage ist, seiner Aufgabe nachzukommen.
Die pragmatische Perspektive: Ja, der Vorstoß zielt darauf ab, die Sogwirkung der deutschen Flüchtlingspolitik aufzuheben. Das ist zum einen nicht inhuman, weil auch beim sogenannten subsidiären Schutz Menschen nicht in Bürgerkriegsgebiete zurückgeschickt werden.
Zudem trägt die Bundesregierung mit ihrer beispiellosen Flüchtlingspolitik natürlich eine Verantwortung dafür, dass sich die Gesellschaft nicht übernimmt und - nicht weniger wichtig -, dass die Flüchtlinge nicht mit Erwartungen nach Deutschland kommen, die bitter enttäuscht werden müssen. Nur ein Teil von ihnen wird auch bei intensiver Förderung die Chance haben, sich in unseren hochkomplexen Arbeitsmarkt zu integrieren.
Eine Kurswende der Regierung muss allerdings zwingend mit einer massiven Unterstützung der Nachbarländer zu Syrien einhergehen. Wenn es dort etwa nicht gelingt, die Kinder der Flüchtlinge zu beschulen, werden weiterhin Hunderttausende unter Einsatz ihres Lebens Richtung Europa aufbrechen.