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Landtagswahlen

Nirgendwo werde mehr gelogen als nach der Jagd oder vor Wahlen, meinte einst Winston Churchill.

Geschrieben von Reinhard Zweigler am . Veröffentlicht in Regio-News.
Foto: Ben Sutherland / Flickr (CC BY 2.0)

Nirgendwo werde mehr gelogen als nach der Jagd oder vor Wahlen, meinte einst Winston Churchill.

Der ständig Zigarre rauchende ehemalige britische Premier hatte alle Höhen und Tiefen von demokratischen Wahlen erlebt. Ausgerechnet nach dem großen Sieg über Hitler im Zweiten Weltkrieg wurde der charismatische Brite im eigenen Land abgewählt. Dies zumindest kann der deutschen Bundeskanzlerin nach den drei Landtagswahlen am kommenden Sonntag nicht passieren.

Angela Merkel steht weder im "Ländle" Baden-Württemberg, noch in Rheinland-Pfalz noch in Sachsen-Anhalt zur Wahl. Wenigstens nicht direkt. Indirekt geht es aber selbstverständlich um das derzeitige Spitzenthema: die Flüchtlingspolitik. An Merkels fast trotzigem Festhalten an einer europäischen Lösung, statt einer kleinen, jeweils nationalen, scheiden sich die Geister. Und zwar quer durch die Bevölkerung. Und teilweise sogar quer durch die politischen Lager.

Dabei geht es am Super-Wahlsonntag weniger um ausgefeilte politische Programme, als vielmehr um Personen, Stimmungen, Befindlichkeiten, Sorgen und Ängste. Nahezu einmalig und kurios zugleich ist vor diesem Hintergrund die Situation in Baden-Württemberg. Der überaus beliebte Landesvater von den Grünen, Winfried Kretschmann, steht im Grunde Merkels Flüchtlingspolitik näher als der blasse und ziemlich unbekannte CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf und große Teile der Südwest-Unionspartei.

Wer für Merkels Politik der weiterhin offenen Grenzen, der Flüchtlingskontingente, aber gegen einseitige Grenzschließungen, gegen Stacheldraht und Tränengas ist, der müsste im Südwesten eigentlich für die Grünen stimmen. Eine ziemlich verrückte Vorstellung fürwahr. An der Person Kretschmann macht sich zudem noch eine andere Eigentümlichkeit fest. Dem einstigen Lehrer mit der knarrenden Stimme ist es offenbar gelungen, tief in junge wie ältere bürgerliche Wählerschichten vorzudringen. In den Städten des Südwestens, aber nicht nur dort. Die CDU hat dem, wenn man so will, frischen grünen, pragmatischen Konservatismus nur wenig entgegenzusetzen. Wolf, Strobl und Co. der baden-württembergischen CDU wirken dagegen blass, altbacken, saft- und kraftlos. Und so ganz genau wissen sie auch nicht, ob sie gegen Merkel auf die Barrikaden gehen sollten, wie dies der gern gebuchte Wahlkämpfer Horst Seehofer stellvertretend auch für sie tut, oder ob sie gute Miene zur Politik der Kanzlerin machen sollen. Sie tun beides. Wie auch die jugendliche Heldin der CDU in Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner.

Auf dem CDU-Parteitag im Dezember applaudierte die ehemalige Weinkönigin und Hoffnungsträgerin noch brav der großen Vorsitzenden. Im neuen Jahr kam sie, gemeinsam mit Wolf, mit einem Flüchtlingspapier um die Ecke, dass näher bei Seehofer als bei der Kanzlerin lag. Ob man in Rheinland-Pfalz lieber eine Kandidatin in einem solchen Spagat wählt, als die SPD-Landesmutter, Maly Dreyer, wird sich Sonntag zeigen. Auch wird nach dem dreifachen Urnengang klarer sein, welche Rolle die rechtspopulistische Schein-Alternative für Deutschland AfD in der deutschen Politik wirklich spielt. Umfragen, die der diametral gegen Merkels Flüchtlingskurs auftrumpfenden Partei fast überall zweistellige Ergebnisse vorhersagen, sind das eine. Die Entscheidung an der Wahlurne das andere.

Bislang hält die Taktik des Niederhaltens, Verächtlichmachens, Verspottens der etablierten Parteien und Medien gegenüber der AfD. Sollten aber Petry, Höcke, von Storch und Co., die ankündigten, notfalls an der Grenze auf Flüchtlinge schießen zu lassen, aber erdrutschartig zulegen, könnte diese Taktik durchlöchert werden. Eine wirkliche politische Auseinandersetzung mit der AfD kam bislang viel zu kurz.



Quelle: ots/Mittelbayerische Zeitung