Berliner SPD will das Tempelhof-Gesetz auf fragwürdige Weise anfassen
Die Mehrheit der Berliner hat per Volksentscheid 2014 entschieden, dass das Tempelhofer Feld von jeglicher Bebauung frei bleiben soll. Zehn Jahre später ist die Wohnungsnot in der Stadt noch einmal erheblich gewachsen, der Senat ist gefordert, landeseigene Flächen zu aktivieren, auf denen sich bezahlbare Wohnungen errichten lassen.
Die Mehrheit der Berliner hat per Volksentscheid 2014 entschieden, dass das Tempelhofer Feld von jeglicher Bebauung frei bleiben soll. Zehn Jahre später ist die Wohnungsnot in der Stadt noch einmal erheblich gewachsen, der Senat ist gefordert, landeseigene Flächen zu aktivieren, auf denen sich bezahlbare Wohnungen errichten lassen.
Wie schwer das ist, zeigen die zahlreichen heftigen Auseinandersetzungen, die berlinweit immer dann aufflammen, wenn ein solches Bauvorhaben angekündigt wird. Die Idee, die Bürgerinnen und Bürger noch einmal zu fragen, ob der rigorose Ausschluss einer Randbebauung des 380 Hektar großen Tempelhofer Feldes noch zeitgemäß ist, liegt also nahe.
Doch genau hier beginnt das Problem. Denn das 2014 herbeigeführte Votum wurde von einer Bürgerinitiative initiiert, die zunächst genug Unterschriften für einen Antrag auf ein Volksbegehren sammeln, dann genügend Unterschriften für das eigentliche Volksbegehren sichern und schließlich für den eigentlichen Volksentscheid die Zustimmung von 25 Prozent der Wahlberechtigten erreichen musste - damals entsprach dies rund 625.000 Stimmen. Die Initiative nahm auch diese letzte Hürde mit 740.000 Stimmen beziehungsweise knapp 30 Prozent.
Diese hohen Hürden gäbe es bei einem "von oben" initiierten Volksentscheid, wie ihn die Berliner SPD-Fraktion auf ihrer Klausur in Leipzig beschlossen hat, dagegen nicht. Es müssten keine Unterschriften gesammelt werden, es kommt direkt zur Abstimmung. Das klingt nicht wirklich nach Chancengleichheit und ruft, gerade bei einem Instrument, das die SPD auch als Mittel gegen die Politikverdrossenheit verstanden wissen will, genau diese hervor. Zumal das Abstimmungsgesetz schon heute auch Parteien ausdrücklich erlaubt, eine Abstimmung zu initiieren. Nichts hindert die SPD also daran, einen erneuten Volksentscheid in die Wege zu leiten - dann allerdings mit den gleichen Hürden, die auch der vorherige Tempelhof-Volksentscheid genommen hat.
Der Senat oder das Abgeordnetenhaus ist als Initiator einer Abstimmung dagegen ausgeklammert. Um das zu ändern, bedarf es einer Verfassungsänderung, für die wiederum eine Zweidrittelmehrheit im Abgeordnetenhaus erforderlich ist - für diesen Schritt gibt es derzeit genauso wenig Sympathien bei Linken und Grünen wie für die Randbebauung.
Diese Bedenken wischen die Berliner Genossen mit dem Hinweis beiseite, ein Gutachten habe bestätigt, dass eine einfache Mehrheit ausreichend sei. Allerdings bezieht sich diese Aussage des Fachgutachtens lediglich auf eine "konsultative Volksbefragung", also ein unverbindliches Instrument der direkten Demokratie, bei dem die wahlberechtigte Bevölkerung zu einer bestimmten Frage konsultiert wird. Doch in der Resolution, die von der SPD auf ihrer Fraktionsklausur beschlossen wurde, ist eindeutig von einem rechtlich verbindlichen Volksentscheid die Rede.
Wenn es nur darum geht, ein Stimmungsbild zu erhalten, wäre die Volksbefragung sicher ein probates Mittel. Ein Volksentscheid "von oben" erweckt allerdings den unguten Eindruck, dass man sich in Sachen Tempelhof-Bebauung als Partei lieber nicht zu stark positionieren und es sich zugleich leicht machen will. Zumal man damit auch scheitern könnte und die SPD-Basis geteilter Meinung ist. SPD und CDU haben zudem die Möglichkeit, die Ergebnisse eines Volksentscheides mit einem Mehrheitsbeschluss im Abgeordnetenhaus zu ändern. Das wäre ehrlicher und ohne rechtliche Volten jederzeit möglich.