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Drei viertel aller Niedersachsen würden Organe spenden - doch nur vier von zehn haben einen Ausweis

74 Prozent aller Menschen in Niedersachsen sind grundsätzlich zu einer Organspende bereit. Doch nur 44 Prozent der potenziellen Spender sind im Besitz des dafür notwendigen Organspendeausweises. Fast jeder zweite Niedersachse, der eine Organspende ablehnt, hat in erster Linie kein Vertrauen in das Vergabesystem, außerdem sind Bedenken bezüglich einer sicheren Todesdiagnose weit verbreitet (42 Prozent).

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Regio-News.
Foto: Raphael Markert / CC BY-SA 4.0 via Wikimedia

74 Prozent aller Menschen in Niedersachsen sind grundsätzlich zu einer Organspende bereit. Doch nur 44 Prozent der potenziellen Spender sind im Besitz des dafür notwendigen Organspendeausweises. Fast jeder zweite Niedersachse, der eine Organspende ablehnt, hat in erster Linie kein Vertrauen in das Vergabesystem, außerdem sind Bedenken bezüglich einer sicheren Todesdiagnose weit verbreitet (42 Prozent).

Eine Stammzellenspende würden sechs von zehn Niedersachsen durchführen (58 Prozent), typisiert sind hierzulande jedoch erst 28 Prozent der potenziellen Spender. Ihre ablehnende Haltung gegenüber einer Stammzellenspende begründen die meisten Menschen in Niedersachsen vor allem mit Angst vor dem Eingriff und eventuellen Spätfolgen. Dies sind Ergebnisse der aktuellen Studie "Knochenmark- und Organspende 2016" der pronova BKK. Grundlage ist eine Befragung von 250 Bürgerinnen und Bürgern in Niedersachsen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren. Insgesamt nahmen 1.630 Bundesbürger an der deutschlandweiten repräsentativen Befragung teil.

"Deutlich mehr Menschen in Niedersachsen sind zu einer Organ- oder Stammzellenspende bereit als diejenigen, die einen Ausweis besitzen oder sich haben typisieren lassen", sagt Lutz Kaiser, Vorstand der pronova BKK. Dabei könnte man sein Einverständnis zur Organspende mithilfe des Ausweises ganz einfach schriftlich erklären und so für den Ernstfall vorsorgen. Für eine Stammzellenspende ist es notwendig, im Vorfeld die dafür notwendige Typisierung vorzunehmen. "In beiden Fällen sind Viele mit den jeweiligen Regelungen und Abläufen nicht hinreichend vertraut. Das schafft Raum für Vorurteile und Vorbehalte, die wir dringend ausräumen müssen", so der Experte.

Mehrheit der Spendebereiten in Niedersachsen würde alle Organe geben

Die prinzipielle Spendenbereitschaft der niedersächsischen Bevölkerung ist hoch: Rund drei Viertel (72 Prozent) der Befragten, die prinzipiell zu einer Organspende bereit sind, würden nach ihrem Tod alle Organe zur Verfügung stellen. Die anderen (28 Prozent) würden eine Auswahl vorgeben. Die höchste Spendenbereitschaft besteht bei Nieren und Leber, gefolgt von Herz, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Darm. Gewebespenden, etwa Augenhornhaut oder Knochen, werden eher abgelehnt.

Ihre generelle Spendenbereitschaft begründet die Mehrheit der Menschen in Niedersachsen mit dem Wunsch, anderen Menschen helfen zu wollen (56 Prozent). Im Bundesdurchschnitt allerdings gaben dies mit 65 Prozent weit mehr Befragte als Hauptgrund an. 43 Prozent der Niedersachsen würden ihre Organe vor allem deshalb spenden, weil sie im Ernstfall selbst gern ein Spenderorgan in Anspruch nehmen würden. Bundesweit nannten 44 Prozent der Befragten dies als Beweggrund für ihre potenzielle Spendenbereitschaft. Seinen Mitmenschen helfen zu wollen, ist auch die Hauptmotivation der Niedersachsen in Bezug auf eine Stammzellenspende. Hier sind insgesamt 58 Prozent der regionalen Bevölkerung dazu bereit. Das sind zwei Prozent weniger als im Bundesdurchschnitt.

Niedersachsen offener für Organspende als der Bundesschnitt

Obwohl ein Großteil (76 Prozent) der Niedersachsen den Nutzen einer Organspende höher einschätzt als etwaige Nachteile, ist das Misstrauen hoch. In erster Linie ist es mangelndes Vertrauen in das System der Organspende, das rund die Hälfte aller Niedersachsen (45 Prozent) vor einer Organspende zurückschrecken lässt. Damit ist das Misstrauen der Niedersachsen weitaus geringer als das der Bundesbürger insgesamt (52 Prozent). Vor allem Medienberichte über Skandale befeuern die Skepsis - knapp jeder zweite Niedersachse (47 Prozent) lässt sich dadurch negativ in seiner Einstellung zur Organspende beeinflussen. Das sind vier Prozent weniger als im Bundesdurchschnitt. Der am zweithäufigsten genannte Grund ist die Angst, zum Organspender wider Willen zu werden, zum Beispiel, wenn Ärzte die Überlebenschancen eines potenziellen Organempfängers höher einschätzen als die eigenen. Diesen Grund gaben 29 Prozent der Organspendegegner in Niedersachsen an und lagen damit exakt im Bundesdurchschnitt.

Organspende stößt auf viele Vorurteile bei den Niedersachsen

"Viele Bedenken der niedersächsischen Bevölkerung hinsichtlich des Systems der Organspende sind unbegründet", sagt Lutz Kaiser von der pronova BKK. So wüssten viele nicht über das Standardverfahren Bescheid, bei dem zwei Ärzte den Hirntod unabhängig voneinander durch eine anerkannte und sichere Methode diagnostizieren müssten. Dass 53 Prozent der Organspendegegner in Niedersachsen in der Studie angaben, unter dieser Voraussetzung ihre Entscheidung überdenken zu wollen, sei ein positives Signal. "Hier müssen wir mit Aufklärung und mehr Information ansetzen", so der Experte.

Auch beim Thema Stammzellenspende existieren Vorurteile. Diese beziehen sich vor allem auf Risiken und mögliche Spätfolgen bei der Entnahme. Viele Niedersachsen wissen nicht, dass durch moderne Möglichkeiten der Stammzellenentnahme wie der Blutstammzellenspende kein operativer Eingriff notwendig ist. Bei dieser sogenannten peripheren Stammzellenspende ist lediglich eine vorherige Medikamenteneinnahme zur Aktivierung der Stammzellenausschüttung notwendig, die grippeähnliche Symptome als Nebenwirkung hervorrufen kann. Langzeitnebenwirkungen sind nicht bekannt. Nach der Entnahme in Form einer Knochenmarkspende ist lediglich mit einem lokalen Wundschmerz zu rechnen, der mit einem Prellungsschmerz vergleichbar ist. Dabei liegen die größten Risiken in der üblichen Narkose. Die Art der Entnahme ist von den Patienten frei wählbar.

Aufklärung erhöht die Spendenbereitschaft

Aufgeklärt über die Stammzellenentnahme, würden über die Hälfte der Verweigerer (54 Prozent) in Niedersachsen einer Spende zustimmen. Generell würde jeder Zweite (51 Prozent) seine Entscheidung revidieren, wenn er wüsste, dass neben dem einfachen Verfahren die Chance auf Heilung des Empfängers mindestens 60 Prozent beträgt. Fast ebenso viele (49 Prozent) überzeugt das Argument, dass sie sich vor der Typisierung keiner ärztlichen Untersuchung unterziehen müssen.

"Trotz großer Medienpräsenz des Themas Knochenmark- und Blutstammzellenspende schreckt nach wie vor jeder vierte der niedersächsischen Bevölkerung davor zurück", so pronova BKK-Vorstand Lutz Kaiser. Ein Grund könnte ein falscher Absender der Kampagnen sein. Die meisten Niedersachsen wünschen sich Aufklärung zum Thema Organ- und Stammzellenspende in erster Linie von Vertretern aus dem Gesundheitswesen, vor allem von ihrer Krankenkasse (67 Prozent) und ihrem Hausarzt (56 Prozent). Der Wunsch, über die Medien aufgeklärt zu werden, liegt mit 30 Prozent deutlich dahinter und noch weit unter dem bundesweiten Wert (39 Prozent). Doch nach wie vor werden Informationen zur Knochenmarkspende von den Niedersachsen vor allem über das Fernsehen (52 Prozent) und Internet (43 Prozent) wahrgenommen. Lutz Kaiser: "Diese Erwartung an uns und das damit verbundene Vertrauen sehen wir als Auftrag, durch gezielte Aufklärung die Bereitschaft zur Knochenmark- und Organspende der Bewohner Niedersachsens signifikant zu steigern."



Quelle: pronova BKK