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Die Job-Chancen nutzen

Für Arbeitssuchende waren die Zeiten in Berlin lange nicht so gut wie zuletzt. Mehr als 50.000 sozialversicherungspflichtige Stellen haben Unternehmen und Behörden Jahr für Jahr neu besetzt. Die Beschäftigung wuchs sogar stärker als die Zahl der Einwohner. Angesichts der Boom-Zeiten haben viele Menschen fast schon vergessen, dass wir in der Region noch Mitte der 2000er-Jahre Arbeitslosenquoten von mehr als 20 Prozent hatten. Früher war mitnichten alles besser in Berlin.

Geschrieben von Joachim Fahrun am . Veröffentlicht in Regio-News.
Foto: Tim Gouw / CC0 (via Unsplash)

Für Arbeitssuchende waren die Zeiten in Berlin lange nicht so gut wie zuletzt. Mehr als 50.000 sozialversicherungspflichtige Stellen haben Unternehmen und Behörden Jahr für Jahr neu besetzt. Die Beschäftigung wuchs sogar stärker als die Zahl der Einwohner. Angesichts der Boom-Zeiten haben viele Menschen fast schon vergessen, dass wir in der Region noch Mitte der 2000er-Jahre Arbeitslosenquoten von mehr als 20 Prozent hatten. Früher war mitnichten alles besser in Berlin.

Die neuen, unruhigen Zeiten bringen es jedoch mit sich, dass die Entwicklung nicht automatisch weitergeht. Die Dynamik werde nicht zu halten sein, warnt der Chef der regionalen Arbeitsagenturen. Es wird schwieriger werden, Wachstum zu schaffen und die Menschen fit zu machen für die neuen Anforderungen, die Digitalisierung und Strukturwandel für viele Branchen bedeuten.

Jetzt schlägt die Stunde der Politik. Denn der Trend verläuft nicht eindeutig. Spektakulären Ansiedlungen wie die Tesla-Fabrik in Grünheide oder ambitionierten Großvorhaben wie der Siemens-Campus in Siemensstadt stehen Werksschließungen wie beim Zigarettenhersteller Philip Morris oder Probleme wie etwa bei Osram gegenüber.

Die Aufgabe stellt sich nun, Arbeitskräfte aus den eher schwächelnden Branchen in die weiter stark zulegenden Sektoren der Wirtschaft umzulenken. Vom Zigarettenmacher zum E-Auto-Bauer sozusagen. Die Instrumente dafür müssen Qualifizierung und Weiterbildung sein. An den Finanzen wird das nicht scheitern. Den Arbeitsagenturen stand pro Klient noch nie so viel Geld zur Verfügung wie jetzt. Jobcenter und Arbeitsagenturen haben lange viele Menschen in oft sinnlosen Beschäftigungsmaßnahmen geparkt. Diese Zeiten müssen vorbei sein. Es gibt genügend Tätigkeiten, die mittelfristig zu erledigen sind und für die praktische Kenntnisse vermittelt werden müssen.

3000 bis 4000 Mitarbeiter sucht allein Tesla für die erste Ausbaustufe seiner Brandenburger Fabrik. Tausende werden am und um den Flughafen BER tätig sein. Der öffentliche Dienst muss in den nächsten Jahren Tausende neue Mitarbeiter rekrutieren. Eine riesige Herausforderung für die Personalverantwortlichen. Die Perspektiven bleiben also gut für jüngere, gut qualifizierte Menschen. Zumal die geburtenstarken Jahrgänge bald das Rentenalter erreichen. Die Landespolitik muss vor allem die erheblichen Probleme an den Berliner Schulen lösen, damit nicht nur Zuzügler von den neuen Angeboten profitieren. Immer noch verlassen viel zu viele junge Menschen vor allem aus bildungsfernen Familien die Schule ohne jeden Abschluss. Ihnen helfen noch so viele neue Tesla-Jobs wenig.

Die Wirtschaftspolitik muss die Entwicklung der Unternehmen gewährleisten, die in Wachstumsbranchen tätig sind. Gewerbe- und Büroflächen sind zu sichern oder neu auszuweisen. Denn die Gewerbemieten haben ein für viele Firmen bedrohlich hohes Niveau erreicht.

Nur wenn es auf der einen Seite Wachstum gibt, können die Menschen unterkommen, die anderswo ihre Arbeitsplätze einbüßen. Diesen simplen Zusammenhang scheinen einige in der rot-rot-grünen Koalition nicht wahrnehmen zu wollen. Die Wirtschaft werde nicht mehr gehört, ihre Anliegen nicht wahrgenommen, klagten jüngst die Präsidentinnen der Industrie- und Handels- sowie der Handwerkskammer. Es ist dringend an der Zeit, dass Politik und Wirtschaft ihren zuletzt aus Ärger über den Mietendeckel und andere umstrittene Vorhaben abgewürgten Dialog wieder aufnehmen. Nur gemeinsam wird es gelingen, möglichst viele Berliner mitzunehmen in die neue Arbeitswelt.



Quelle: ots/Berliner Morgenpost