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Brisant, aber nötig

In Hessen sind die Christdemokraten traditionell härter und die Grünen linker als in Baden- Württemberg. In Hessen funktioniert Schwarz-Grün. Also müsste es in Stuttgart auch klappen.

Geschrieben von Peter Pappert am . Veröffentlicht in Regio-News.
Foto: 7854 / pixabay (CC 0)

In Hessen sind die Christdemokraten traditionell härter und die Grünen linker als in Baden- Württemberg. In Hessen funktioniert Schwarz-Grün. Also müsste es in Stuttgart auch klappen.

Ganz so einfach ist es nicht, zumal es im Südwesten um Grün-Schwarz geht. Den Christdemokraten dort fällt es schwerer, weil in Jahrzehnten gewachsener Arroganz viele ihrer Politiker die CDU immer noch für die naturgegebene Staats- und Regierungspartei halten.

In Baden-Württemberg muss sich die CDU-Spitze davor fürchten, eine von ihr abgeschlossene Koalitionsvereinbarung den eigenen Mitgliedern zur Abstimmung vorzulegen. Was sich Grüne und CDU in Stuttgart jetzt vornehmen, wird schwierig. Aber einfache Wege gibt es im deutschen Parteiendschungel 2016 sowieso nicht. Im Südwesten sind sich Grüne und CDU nah und fern. Sich auf solide Finanzpolitik zu einigen, wird beiden nicht schwerfallen. Verständigung darüber, wie moderne Wirtschaftspolitik, ökonomische Vernunft und ökologische Notwendigkeiten zu vereinbaren sind, dürfte schon schwieriger werden.

Schließlich liegen deutliche Differenzen bei Schulpolitik, innerer Sicherheit und Polizei offen zutage. Dass Winfried Kretschmann als die alles dominierende landespolitische Führungsfigur über allem schwebt, wird eine Einigung erleichtern. Die interessante Frage ist, ob Schwarze und Grüne ohne ihn überhaupt zusammenkämen. Problem-, Stimmungs- und Debattenlage in der Republik führen nicht zum ersten Mal zu einer Situation, auf die Befürworter von Schwarz-Grün in beiden Parteien immer spekulieren. Erst der Zwang der Prozentzahlen macht ein solches Bündnis möglich; denn beide Seiten können es vielen ihrer jeweiligen Anhänger (noch) nicht ausdrücklich als Ziel schmackhaft machen. Die CDU ist in großen Teilen ökologischer und weniger traditionell, als sie es sich selbst eingestehen will, die Grünen sind pragmatischer, als sie es ihrer Basis zumuten können.

Das heißt aber auch: Jahrzehntelang innig gepflegte Feindbilder und Vorurteile über den jeweils anderen lassen sich nicht ohne weiteres abräumen. Den Spitzen beider Landesparteien stellt sich jene brisante Frage gleichermaßen: Wann brechen noch mehr Traditionalisten und Konservative in der CDU zur AfD weg? Und: Wann spielt die alte grüne Basis der Ökologie- und Friedensbewegung nicht mehr mit? Übers Ländle hinaus ist die Sache nicht weniger sensibel. Schließlich sehnen sich die Bundespolitiker nach erfolgversprechenden Perspektiven für 2017 und nicht nach Schwindsucht. Gleichzeitig offenbart der Blick auf die jüngsten Umfragen aller Meinungsforschungsinstitute zur Frage "Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre . . .", dass - außer der von beiden Seiten ungeliebten großen Koalition - im Bund nur Union und Grüne die Chance auf eine Mehrheit für ein Zweierbündnis haben.



Quelle: ots/Aachener Zeitung