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Ideenwettstreit

Eigentlich ist es nicht sonderlich der Rede wert, wenn wieder einmal Unternehmen oder ihre Lobbyverbände neue Forderungen an die EU-Politik veröffentlichen. Das ist Tagesgeschäft in Brüssel. Wenn aber die gut 50 größten multinationalen Konzerne aus Europa mit insgesamt über 2 Bill. Euro Umsatz und 5 Millionen Beschäftigten vorstellig werden, haben ihre Anliegen das Gewicht, auch gehört zu werden - vor allem, wenn ihre aktuelle Analyse der Wettbewerbssituation so besorgniserregend ausfällt.

Geschrieben von Andreas Heitker am . Veröffentlicht in Wirtschaft.
Foto: Salvatore P / CC0 (via Pexels)

Eigentlich ist es nicht sonderlich der Rede wert, wenn wieder einmal Unternehmen oder ihre Lobbyverbände neue Forderungen an die EU-Politik veröffentlichen. Das ist Tagesgeschäft in Brüssel. Wenn aber die gut 50 größten multinationalen Konzerne aus Europa mit insgesamt über 2 Bill. Euro Umsatz und 5 Millionen Beschäftigten vorstellig werden, haben ihre Anliegen das Gewicht, auch gehört zu werden - vor allem, wenn ihre aktuelle Analyse der Wettbewerbssituation so besorgniserregend ausfällt.

Es ist bekannt, dass Europa seit Jahren zu wenig in Forschung und Entwicklung (F&E) investiert und bei den großen Zukunftsthemen - wie etwa der künstlichen Intelligenz - gegenüber den USA und China ins Hintertreffen zu geraten droht. Dies drückt sich mittlerweile in entsprechenden Patentanmeldungen aus. Und wie der Bericht der Industrie-Allianz zeigt, können europäische Unternehmen auch bei der Produktivität oft nicht mithalten. Die Wachstumsraten sind unterdurchschnittlich; die weltweite Bedeutung der EU-Wirtschaft sinkt.

Mit ihren Forderungen nach einer neuen, ambitionierten Industriestrategie, die mit einer Modernisierung der Wettbewerbsregeln und einer Neujustierung der Förderpolitik einhergeht und die zugleich die beiden Megathemen Klimapolitik und Digitalisierung mit einbezieht, rennen die Chefs der Großkonzerne daher offene Türen in Brüssel ein. Dies sind genau die Themen, die sich die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen für die nächsten Jahre auf die Fahnen geschrieben hat. Das von der Brüsseler Wettbewerbsbehörde gestern beihilfetechnisch durchgewinkte pan-europäische Forschungsvorhaben in der strategisch wichtigen Batteriefertigung ist ein weiteres Zeichen, dass es die Kommission hier ernst meint.

Das alles heißt aber nicht, dass Industrie und Politik auf die gleichen Maßnahmen setzen, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas wieder zu stärken. Die Unternehmen hoffen beispielsweise auf eine Senkung der hohen Energiepreise, um international konkurrenzfähig zu bleiben - was sich aber mit der politisch gewollten Verteuerung der CO2-Emissionen beißt. Die Erneuerung der Wettbewerbsregeln führt dann außerdem gleich wieder zu der kontroversen Frage nach europäischen Champions. Und ob eine F&E-Stärkung unbedingt über Steueranreize erfolgen muss, sei auch einmal dahingestellt. Morgen wird von der Leyen erst einmal Details zu ihrem Green Deal vorstellen. Mal schauen, wie groß die Unterstützung der Industrie dann noch ist.



Quelle: ots/Börsen-Zeitung