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Fehlender Kompass

Ob tatsächlich irgendwer in Brüssel gedacht hat, es sei eine echt clevere Marketingidee, Greta Thunberg zur Sitzung der EU-Kommission einzuladen, auf der diese ihr Klimaschutzgesetz beschließt? Nun, es kam auf jeden Fall, wie es kommen musste: Die schwedische Aktivistin haute den Kommissaren am Mittwoch den Gesetzesvorschlag als "Kapitulation" und "Scheinlösung" um die Ohren und warf ihnen vor, den jungen Menschen ihre Zukunft zu rauben.

Geschrieben von Andreas Heitker am . Veröffentlicht in Umwelt.
Ursula von der Leyen
Ursula von der Leyen
Foto: Kuhlmann /MSC / CC-BY 3.0 de (via Wikimedia Commons)

Ob tatsächlich irgendwer in Brüssel gedacht hat, es sei eine echt clevere Marketingidee, Greta Thunberg zur Sitzung der EU-Kommission einzuladen, auf der diese ihr Klimaschutzgesetz beschließt? Nun, es kam auf jeden Fall, wie es kommen musste: Die schwedische Aktivistin haute den Kommissaren am Mittwoch den Gesetzesvorschlag als "Kapitulation" und "Scheinlösung" um die Ohren und warf ihnen vor, den jungen Menschen ihre Zukunft zu rauben.

Dabei hat sie ja eigentlich schon viel erreicht. Auch Kommissionsvize Frans Timmermans musste einräumen, dass es ohne Thunberg und ihre "Fridays"-Mitstreiter den Green Deal und das Klimagesetz wohl kaum geben würde. Auch dass sich die europäische Wirtschaft mittlerweile fast ausnahmslos mit der geplanten gesetzlichen Verankerung der Klimaneutralität der EU bis 2050 arrangiert hat, wäre noch vor einem Jahr kaum als realistisch angesehen worden. Und auf Ebene der Mitgliedstaaten ist es mittlerweile nur noch Polen, das noch mit der Klimaneutralität hadert.

Das langfristige Ziel ist also klar - aber nicht der Weg dorthin. Und dies ist auch die große Schwäche des nun vorgelegten Klimagesetzes. Es bietet keinerlei Kompass für die nächsten Jahre. Was bis zur Mitte des Jahrhunderts passieren soll, steht nun fest. Aber alles andere bleibt vage - allen voran das Mittelfristziel für 2030, auf das sich nun die ganzen Auseinandersetzungen fokussieren.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bereits bei ihrer Wahl im vergangenen Sommer eine Verschärfung des CO2-Reduktionsziels von derzeit 40 Prozent auf 50 Prozent bis 55 Prozent (im Vergleich zu 1990) angekündigt. Weiter sind wir heute auch noch nicht. Auch weil die Brüsseler Behörde die Brisanz dieser Entscheidung kennt, schiebt sie sie noch bis September auf. Eine detaillierte Folgenabschätzung, so ist die Hoffnung, macht die Kommission hier von vornherein weniger angreifbar.

Das Problem am Klimagesetz und am ganzen Green Deal der Von-der-Leyen-Kommission ist aktuell: Es gibt bislang im Wesentlichen nur Schlagzeilen. Die konkreten Inhalte müssen in den nächsten Wochen und Monaten noch nachgeliefert werden. In der kommenden Woche wird die Europäische Kommission damit anfangen und eine neue Industriestrategie vorlegen, die ebenfalls Wege für die grüne Transformation der Wirtschaft aufzeigen will. Von der Leyen hat versprochen, die europäische Industrie in diesem Prozess im internationalen Wettbewerb zu schützen. Daran wird sie sich messen lassen müssen.

Quelle: ots/Börsen-Zeitung