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Vereint, aber noch nicht eins - Ost und West wachsen zusammen!

So das Gesamtfazit der Ostbeauftragten Iris Gleicke anlässlich der Vorstellung der Studie "Deutschland 2014 - 25 Jahre friedliche Revolution und Deutsche Einheit". Die Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer und Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundeswirtschaftsminister hatte die Studie anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Wiedervereinigung in Auftrag gegeben.

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Themen.
Foto: Rob. / Flickr (CC)

So das Gesamtfazit der Ostbeauftragten Iris Gleicke anlässlich der Vorstellung der Studie "Deutschland 2014 - 25 Jahre friedliche Revolution und Deutsche Einheit". Die Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer und Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundeswirtschaftsminister hatte die Studie anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Wiedervereinigung in Auftrag gegeben.

Die Studie zeigt große Trendlinien politischer und gesellschaftlicher Einstellungen der Deutschen in Ost und West zwischen 1990 und 2014 anhand empirischer Daten auf. Sie liefert laut Gleicke "klare Belege dafür, dass Ost und West seit der Wiedervereinigung im Sinne Willy Brandts zusammenwachsen". Dafür spreche auch die laut Studie außerordentlich hohe allgemeine Lebenszufriedenheit sowohl im Westen (83 Prozent) als auch im Osten (76 Prozent). Für bemerkenswert hält Gleicke in diesem Zusammenhang den Umstand, dass heutzutage mit 77 Prozent die meisten Ostdeutschen und immerhin auch 62 Prozent der Westdeutschen die Wiedervereinigung für sich persönlich als vorteilhaft erleben.

Staatssekretärin Gleicke: "Das ist ein deutliches Zeichen für eine allen Irrtümern, Fehlern und Rückschlägen zum Trotz insgesamt gute und gelungene Entwicklung. Aber es bleibt unsere Aufgabe, auch noch den zweifelnden Rest davon zu überzeugen, dass die Einheit ein Gewinn für alle Deutschen ist. Die insgesamt sehr erfreulichen Ergebnisse der Studie bestätigen und unterstützen unsere Anstrengungen, gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West zu schaffen. Sie unterstreichen, wieviel wir schon erreicht haben, ohne die bestehenden Defizite zu beschönigen. Natürlich bleibt noch eine Menge zu tun, etwa bei der Wirtschaftskraft, die in den neuen Ländern gerade mal bei zwei Dritteln der des Westens liegt, bei den deutlich niedrigeren Löhnen, bei einem auch 25 Jahre nach der Einheit noch immer unterschiedlichen Rentenrecht. Die Vollendung der deutschen Einheit bleibt ohne Wenn und Aber auf der politischen Tagesordnung."

Die Studie "Deutschland 2014 - 25 Jahre friedliche Revolution und Deutsche Einheit" wurde von der Ostbeauftragten anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Wiedervereinigung in Auftrag gegeben. Sie bietet eine einmalige Bestandsaufnahme der Entwicklung der politischen Kultur in Deutschland auf Basis einer - in dieser Tiefe bisher nicht durchgeführten und umfassenden - Meta-Analyse. Darüber hinaus wird das Instrument der Stellvertreterforschung zu Einstellungen und Stimmungslagen in der DDR vor 1990 erstmals in dieser Breite genutzt. Erstmalig wurden auch ausgewählte Printmedien zur Berichterstattung zum Thema Wiedervereinigung untersucht. Neben den Ergebnissen zur Lebenszufriedenheit und der persönlichen Einschätzung zur Wiedervereinigung zeigt die Studie auch, dass trotz mancher Fehlentwicklungen im Prozess der Wiedervereinigung vier Fünftel der Menschen im Osten wie im Westen des Landes die Wiedervereinigung für Deutschland insgesamt als vorteilhaft einschätzen. Dies spiegelt sich auch darin, dass die Mehrheit aller Deutschen die eigene wirtschaftliche Lage seit 1990 durchweg positiv beurteilt und sich die Bewertung zu keinem Zeitpunkt in den negativen Bereich verschoben hat.

Aber es gibt auch Unterschiede: Etwa bei der Frage, ob man sich in der Bundesrepublik "politisch zu Hause" fühlt. Dies bestätigten nahezu drei Viertel der Westdeutschen, aber nur knapp die Hälfte der Ostdeutschen. Allerdings gilt das nur in der Gesamtbetrachtung. In der Gruppe der 14- bis 29-Jährigen sehen in Ost und West jeweils rund 65 Prozent ihre politische Heimat in der Bundesrepublik. Gleicke: "Hier hat ganz offenkundig der Generationenwechsel eine Annäherung der Einstellungen bewirkt."

Von besonderem Interesse sind aus Sicht der Ostbeauftragten die Befunde der Studie zum Alltag in der DDR, ein Thema, das gerade im Jubiläumsjahr des Einigungsvertrages intensiv und mitunter auch kontrovers diskutiert wird. So weist die Studie aus, dass nur eine Minderheit der Ostdeutschen (meist deutlich unter 30 Prozent) die allgemeinen Lebensbedingungen in der DDR als gut oder sehr gut empfunden haben. Ein gleich hoher Anteil bewertete die Bedingungen des Alltags dagegen als ausgesprochen schlecht und die große Mehrheit entschied sich regelmäßig für eine mittelmäßige Einstufung. Aufgrund der ausgeweiteten innerdeutschen Kontaktmöglichkeiten nicht überraschend, gewann in den 1980er Jahren die kritische Einschätzung deutlich an Breite.

Die Studie zeigt in aller Deutlichkeit, dass 70 Prozent der Ostdeutschen das politische System der DDR als Diktatur betrachten. Allerdings gilt das nicht in gleichem Maße für die Bewertung der DDR als "Unrechtsstaat" (46 Prozent). Die Autoren der Studie führen das auf die Sorge vieler Ostdeutscher zurück, dass Teile ihrer eigenen Biografie entwertet würden, wenn die DDR generell zu einem Synonym für Unrecht erklärt wird.

Staatssekretärin Gleicke hierzu: "Diese Sorge um die Entwertung der eigenen Biografie nehme ich sehr ernst. Der Streit um abstrakte Begriffe bringt uns nicht weiter. Wir müssen das Unrecht klar benennen und alles dafür tun, dass es nicht in Vergessenheit gerät, und wir müssen die Opfer nach besten Kräften unterstützen. Das ist mir sehr wichtig. Aber gerade weil die DDR eine Diktatur war, muss im Westen endlich allgemein anerkannt werden, dass die Ostdeutschen in ihrer ganz großen Mehrheit ganz einfach versucht haben, für sich und ihre Familien etwas aufzubauen und unter den schwierigen Bedingungen der DDR-Diktatur ein anständiges Leben zu führen."

Eine regelmäßig diskutierte Frage ist die zur Systemidentifikation. Nach den Studienergebnissen dominiert seit Ende der 1970er Jahre in der DDR eine Grundhaltung, die sich mit folgenden Merkmalen beschreiben lässt: Geringe Identifikation mit dem Staat, Angepasstheit an die dort gegebenen Verhältnisse, mäßiges bis starkes politisches Interesse sowie eine starke Orientierung an der Bundesrepublik (70 - 80 Prozent). Dem steht lediglich eine Minderheit von maximal etwas mehr als 15 Prozent gegenüber, die sich entschieden zur DDR bekannt hat. Im Zuge der humanitären Erleichterungen kam es aber auch bei diesem "harten Kern" zu Erosionserscheinungen in der Systemloyalität und einer Halbierung der Zahl der starken "Systemidentifizierer".

Bei der Frage nach den "wichtigen Dingen im Leben" rangierten 1979 ganz oben: eine gute Partnerschaft/Ehe, eine gemütliche Wohnung, eigene Kinder, möglichst viel freie Zeit für das Privatleben sowie der Zusammenhalt in der eigenen Familie. Mittlere Plätze belegten berufliche Karriere, Auto, Anschaffungen und Reisen. Und nur eine Minderheit hielt politische Aktivität (17 Prozent) und den Einsatz "in der Freizeit für die Gemeinschaft" (28 Prozent) für besonders erstrebenswert. Bis Mitte der 80er Jahre änderte sich an dieser Rangfolge nichts, lediglich der Wunsch, "kritisch äußern, wenn einem was nicht passt", schloss zur Spitzengruppe wichtiger Dinge auf.

Zu denken geben müssen die Ergebnisse zum sogenannten Institutionenvertrauen. Im Hinblick auf das Vertrauen in die Bundesregierung wird ein eher niedriges Vertrauensniveau mit starken Schwankungen festgestellt, wenn sich auch in Ost und West langfristig im Metatrend eine leicht ansteigende Tendenz abzeichnet. Dabei liegen die für Ostdeutschland gemessenen Vertrauenswerte immer etwas niedriger und steigen auch minimal schwächer an. Erkennbar wird auch hier das vertraute Muster, nach dem die Sichtweise der Ostdeutschen durchgängig skeptischer, kritischer und distanzierter ist. Der Abstand wird aber in den letzten Jahren immerhin deutlich kleiner.

Das Vertrauen in Politiker und Parteien ist in beiden Teilen Deutschlands gleich schlecht. Dazu Gleicke: "Das ist ein Befund, der uns zu denken geben muss."

Quelle: BMWI