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ver.di setzt Streikende unter Druck

Im Kitastreik wird Kritik am Vorgehen der Gewerkschaft ver.di laut. In Hamburg verlangt sie von ihren Mitgliedern die Unterzeichnung einer Klausel, wonach Streikbrecher aus der Gewerkschaft ausgeschlossen werden.

Geschrieben von Redaktion am . Veröffentlicht in Themen.
Foto: Jonas Priester

Im Kitastreik wird Kritik am Vorgehen der Gewerkschaft ver.di laut. In Hamburg verlangt sie von ihren Mitgliedern die Unterzeichnung einer Klausel, wonach Streikbrecher aus der Gewerkschaft ausgeschlossen werden.

Nach Informationen des NDR Politikmagazins "Panorama 3" gehen die Forderungen noch weiter: Demnach müssen Erzieher das zuvor erhaltene Streikgeld zurück zahlen, wenn sie den Arbeitskampf nicht fortsetzen wollen. Wörtlich heißt es in dem Schreiben, das "Panorama 3" vorliegt: "Ich verpflichte mich, die erhaltene Streikunterstützung zurückzuzahlen, wenn ich wegen Streikbruchs aus ver.di ausgeschlossen werde." Der Passus ist Teil eines Dokuments zur Streikerfassung, der Mitgliedern zur Unterschrift vorgelegt wird.

Eine solche Klausel hält der Arbeitsrechtler Professor Peter Schüren, Universität Münster, für unwirksam, weil sie die Mitglieder unverhältnismäßig belaste: "Das setzt die Mitglieder unter einen ständig steigenden Druck, weiterzumachen. Die Erzieherinnen und Erzieher, die streiken, verbrauchen das Streikgeld für ihren Lebensunterhalt. Dafür wird es gezahlt."

Auf Nachfrage von "Panorama 3" bestätigte ver.di die Existenz des Dokuments. Es werde bundesweit bei ver.di-Streiks als Formblatt benutzt. Der Passus sei in der Satzung vorgesehen. In der aktuellen Auseinandersetzung werde man die Möglichkeit des Ausschlusses aus ver.di wegen Streikbruchs und die Rückzahlung von geleisteten Streikgeldern aber nicht anwenden. Hilke Stein, ver.di-Verhandlungsführerin in Hamburg, sagt dazu: "Das Streikgeld wird ausgezahlt für diejenigen, die gestreikt haben, an den Tagen, an denen sie gestreikt haben. An den Tagen, an denen sie nicht gestreikt haben, wird kein Streikgeld ausgezahlt. Es wird auch nichts zurück gefordert." Die Gewerkschaft behauptet, dass sie ihre Mitglieder auch darüber informiert habe.

Doch diese Information scheint bei etlichen ver.di-Mitgliedern nicht angekommen zu sein. Eine Erzieherin sagte "Panorama 3", sie empfinde das Schreiben als Gängelung, sie trotz zunehmender Zweifel auf Gewerkschaftslinie zu halten: "Ich werde meine Mitgliedschaft jetzt kündigen."

Auch der Geschäftsführerin der "Elbkinder. Vereinigung Hamburger Kitas", Katja Nienaber, ist das Dokument bekannt: "Mitarbeiter haben uns angerufen und gesagt, sie würden gern wieder arbeiten. Aber auf ihrem Formular würde stehen, sie müssten, wenn sie den Streik beenden, das Streikgeld zurück zahlen. Sie unterliegen dann natürlich einem finanziellen Druck und befinden sich in einem Zwiespalt."

Streikgeld wird von Gewerkschaften gezahlt, um für ihre Mitglieder den Lohnausfall während des Arbeitskampfes auszugleichen. Auch die an dem Streik beteiligte Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) führt Streikerfassungslisten, allerdings ohne eine derartige Klausel. "Bei uns gibt es das nicht, dass jemand, der aus eigener Entscheidung den Streik unterbricht, Streikgeld zurück zahlen muss", sagte Jens Kastner, Sprecher der Fachgruppe Kinder- und Jugendhilfe der GEW Hamburg, "Panorama 3". "So einen Passus haben wir nicht."

Die Kritik an dem Schreiben bekommt vor dem Hintergrund Gewicht, dass sich inzwischen Zweifel an der Ausrichtung des Streiks in Hamburg mehren. "Ich fühle mich schlecht informiert", sagte eine Erzieherin gegenüber "Panorama 3". Als in Hamburg über den unbefristeten Streik abgestimmt worden sei, habe ver.di nicht ausreichend kenntlich gemacht, dass es um einen bundesweiten Tarifvertrag gehe, der in Hamburg nicht gelte. Hamburg hat bereits jetzt eine finanziell höhere Eingruppierung der Erzieherinnen als im restlichen Bundesgebiet. Hilke Stein von ver.di Hamburg betonte: "Eine bundesweite Regelung wird auch für Hamburg Auswirkungen haben." Sollte auf Bundesebene ein Kompromiss gefunden werden, müsse für Hamburg jedoch nochmals verhandelt werden, so Experten.



Quelle: NDR