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Ukraine-Krise

Den Gaukler Putin stoppen

Es sitzt offenbar ein Gaukler im Kreml. Als Wladimir Putin vor knapp einer Woche am riesig langen Tisch den um Frieden und Entspannung flehenden deutschen Kanzler empfing, lieferte das russische Staatsfernsehen Bilder von abziehenden Truppen. Schützenpanzerwagen wurden auf Waggons verladen. Truppen kehrten in ihre Kasernen zurück.

Geschrieben von Reinhard Zweigler am . Veröffentlicht in Themen.
Putin gefällt sich darin, den Westen und die übrige Welt an der Nase herum zu führen. Knallharte Forderungen, vage Drohungen, falsche Behauptungen, flinke Dementis, militärische Drohkulissen - das Arsenal, mit dem Putin Politik macht, ist schier unerschöpflich.
Putin gefällt sich darin, den Westen und die übrige Welt an der Nase herum zu führen. Knallharte Forderungen, vage Drohungen, falsche Behauptungen, flinke Dementis, militärische Drohkulissen - das Arsenal, mit dem Putin Politik macht, ist schier unerschöpflich.
Foto: DonkeyHotey / CC BY 2.0 (via Flickr)

Es sitzt offenbar ein Gaukler im Kreml. Als Wladimir Putin vor knapp einer Woche am riesig langen Tisch den um Frieden und Entspannung flehenden deutschen Kanzler empfing, lieferte das russische Staatsfernsehen Bilder von abziehenden Truppen. Schützenpanzerwagen wurden auf Waggons verladen. Truppen kehrten in ihre Kasernen zurück.

Die Welt, die Ukraine, der Westen, Unterhändler Scholz atmeten auf. Also doch kein Krieg in der Ukraine, von den wieder aufflammenden Kämpfen in der Ostukraine und von der annektierten Krim einmal abgesehen.Doch nur wenige Tage später entpuppten sich die just zum Besuch in Moskau verbreiteten Bilder als Täuschung. Wieder einmal hat der präsidiale Gaukler im Kreml die Welt hinter die Fichte geführt. Lacht er sich ins Fäustchen: Ihr könnt euch in München oder sonstwo noch so sehr den Kopf darüber zerbrechen, was ich eigentlich will - eine Invasion in der Ukraine oder nur Säbelrasseln mit hunderttausend Soldaten und viel Kriegsgerät, um dem Westen Zusagen, etwa über den Ausschluss einer Nato-Mitgliedschaft Kiews, abzutrotzen?

Putin gefällt sich darin, den Westen und die übrige Welt an der Nase herum zu führen. Knallharte Forderungen, vage Drohungen, falsche Behauptungen, flinke Dementis, militärische Drohkulissen - das Arsenal, mit dem Putin Politik macht, ist schier unerschöpflich. Was allerdings fehlt, sind Verlässlichkeit, Berechenbarkeit, Klarheit. Selbst den Eliten in Moskau scheint nicht klar zu sein, was genau Zar Wladimir will. Und dem russischen Volk wird über die Staatsmedien vorgegaukelt, Kiew sei der Schurke, der in den de facto russischen Gebieten Donezk und Luhansk friedliche russische Bürger, Dörfer und Städte beschieße. Die Propagandamaschinerie des Kreml steht der Militärmaschine, die jederzeit losschlagen könnte, in nichts nach. Die Wahrheit ist bereits das erste Opfer in einem Krieg, der hoffentlich nicht ausbrechen wird.

Allerdings, man kann sich über Putins brandgefährliche Gaukeleien empören, den Kopf schütteln, auf frühere völkerrechtliche Verträge - von der KSZE-Schlussakte, dem Nato-Russland-Abkommen bis zur Vereinbarung von Minsk - verweisen. Allein, solche Dokumente bleiben wirkungslos, wenn sich einer partout nicht an sie halten will. Dass man Putin 2014 bei der Annexion der Krim, übrigens seit Katharina der Großen im Jahr 1783 zu Russland gehörend, den Bruch des Völkerrechts unter die Nase rieb und Sanktionen ausrief, störte Putin herzlich wenig. In der Uno verhindert Moskau mit seinem Veto verbindliche Beschlüsse. In anderen Gremien ist es ähnlich. Und zu Diskussionsforen, wie der Münchner Sicherheitskonferenz, wo man die Positionen Moskaus durchaus streitig hätte darlegen können, schickte man gleich gar keine russischen Vertreter.

Wie also ist ein Gaukler, der noch dazu hochgradig halsstarrig und hochgerüstet ist, zu stoppen? Nicht mit Nato-Soldaten in der Ukraine, denn eine offene militärische Konfrontation mit Russland hätte dramatische Folgen, für den Frieden in Europa und weltweit. Aber auch westliche Waffenlieferungen an Kiew helfen nicht weiter, denn gegen die überlegene russische Armee würden ein paar Panzerabwehrraketen, Nachtsichtgeräte - und erst recht deutsche Stahlhelme - mehr nicht wirklich etwas ausrichten. Es bedarf vielmehr eines wirklich harten Abschreckungsszenarios auf allen Ebenen, dass den Gaukler im Kreml davon abbringt, in der Ukraine einzufallen. Die Maßnahmen des Westens im Fall eines Krieges müssten Putin, sein System und die ihn stützenden Oligarchen dermaßen ins Mark treffen, dass von einem Krieg Abstand genommen wird. Dass die Gaspipeline Nordstream 2 nicht in Betrieb gehen kann, gehört unbedingt dazu. Putin ist nicht zu beschwichtigen, zu beeindrucken ist er dagegen schon. Doch viel wichtiger als Abschreckung ist es, mit Moskau unermüdlich zu verhandeln, auch über Sicherheitsgarantien für die Ukraine und - ja auch - für Russland. Das sind zwei Seiten einer Medaille, um einen drohenden Krieg doch noch verhindern zu können.

Quelle: Mittelbayerische Zeitung