Deutschland im Fadenkreuz
Die Ermittler sind sich sicher: Der Libyer Omar A. wollte im Namen der Terrororganisation IS die israelische Botschaft in Berlin angreifen. Es ist ein weiterer Fall, in dem die Sicherheitsbehörden vermutlich eine Attacke verhindert haben.
Die Ermittler sind sich sicher: Der Libyer Omar A. wollte im Namen der Terrororganisation IS die israelische Botschaft in Berlin angreifen. Es ist ein weiterer Fall, in dem die Sicherheitsbehörden vermutlich eine Attacke verhindert haben.
Zuletzt ergriffen Beamte in Bayern einen Syrer, der offenbar plante, Bundeswehrsoldaten mit Macheten anzugreifen. Kein rechtzeitiger Zugriff gelang in Solingen, wo wiederum ein Syrer aus islamistischen Motiven drei Menschen mit einem Messer tötete.
Diese drei Fälle ereigneten sich innerhalb von nur zwei Monaten. Von den Sicherheitsbehörden ist zu hören: "So viel los wie im Moment war noch nie." Experten warnen schon seit geraumer Zeit: Nach einer Schwächephase ist die Terrororganisation IS als Bedrohung unserer Sicherheit zurück - und Deutschland steht im Fadenkreuz der Islamisten. Damit drängt sich die Frage auf, ob Polizei und Geheimdienste gegen diese Bedrohung gewappnet sind.
Im Fall des vereitelten Anschlags auf die israelische Botschaft kam der Hinweis auf Chatkontakte des Verdächtigen mit einem Vertreter des IS aus dem Ausland. Es ist ein bekanntes Muster, dass deutsche Behörden möglicherweise entscheidende Hinweise auf Gefährder und Attentatspläne hierzulande von Partnerstaaten erhalten. Besonders die Geheimdienste der USA sind nicht nur mit bedeutend größeren Mitteln ausgestattet, um Chats und andere Kommunikationskanäle auf Hinweise zu durchsuchen. Sie verfügen auch rechtlich über deutlich weniger Beschränkungen. Polizei, Geheimdienste und Richter fordern daher zu Recht, den deutschen Sicherheitsbehörden weitreichendere Befugnisse zu gestatten. Damit die Ermittler nicht den Terroristen und Extremisten aller Couleur unterlegen sind, von denen viele ihre technischen und rechtlichen Vorteile genau kennen und gezielt nutzen. In Zeiten radikalisierter Einzeltäter ohne langfristige organisatorische oder finanzielle Verbindungen zu den Terrordrahtziehern im Ausland liefern Chatverläufe oft die einzigen Hinweise auf Anschlagsabsichten.
In Deutschland ist die Forderung allerdings umstritten, die Befugnisse der Ermittler zur Online-Überwachung zu erweitern. Der Riss verläuft nicht nur innerhalb der Bundesregierung, in der sich etwa die FDP gegen die SPD-Forderungen nach einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung wehrt. Sondern auch zwischen Regierung und der Union: CDU und CSU werfen der Ampelkoalition vor, gegen die islamistische Bedrohung nicht entschlossen genug vorzugehen - und stoppten Teile des neuen Sicherheitspakets. Eine zielführende Debatte darüber, die Befugnisse der Sicherheitsbehörden sinnvoll und rechtlich scharf auszuweiten, droht im Wahlkampf unter die Räder zu geraten.
Das gilt erst recht für einen Hinweis des Terrorismusforschers Peter Neumann: Der aktuell terrorverdächtige Libyer ist ebenso wie der Täter von Solingen ein abgelehnter Asylbewerber. Neumann hat 23 bekannt gewordene dschihadistische Anschläge und Anschlagspläne seit Anfang 2016 in Deutschland untersucht. Knapp 90 Prozent der Beteiligten waren Asylbewerber oder Flüchtlinge. Allerdings haben sich diese dem Forscher zufolge in 19 der 23 Fälle erst in Deutschland radikalisiert. Es sei ein Risikofaktor, dass junge Männer jahrelang ohne Job und ohne klare Perspektive in Unterkünften säßen, warnt Neumann. Deutschland hat also nicht nur ein Sicherheitsproblem. Deutschland hat auch ein Integrations- und Präventionsproblem. Auch dagegen müssen wir etwas tun.