Der Kardinal und das Virus
Wir lernen ständig dazu. Zuerst dachten wir, Covid-19 sei ein Virus, das es auf unsere Atemwege und Lungen abgesehen hat. Jetzt beginnen wir zu ahnen, dass das, was dieses Virus anrichten kann, viel weitgehender ist. Medizinisch gesehen begrenzt sich das Kampffeld nicht nur auf unsere Atmungsorgane. Das Coronavirus kann auch das Herz angreifen, es besiedelt unsere Verdauungsorgane und es kann offenbar auch Wege ins menschliche Gehirn finden. Doch soziologisch, psychologisch und politisch gesehen sind die Auswirkungen des Virus viel weitreichender, sie sind immens.
Wir lernen ständig dazu. Zuerst dachten wir, Covid-19 sei ein Virus, das es auf unsere Atemwege und Lungen abgesehen hat. Jetzt beginnen wir zu ahnen, dass das, was dieses Virus anrichten kann, viel weitgehender ist. Medizinisch gesehen begrenzt sich das Kampffeld nicht nur auf unsere Atmungsorgane. Das Coronavirus kann auch das Herz angreifen, es besiedelt unsere Verdauungsorgane und es kann offenbar auch Wege ins menschliche Gehirn finden. Doch soziologisch, psychologisch und politisch gesehen sind die Auswirkungen des Virus viel weitreichender, sie sind immens.
Es spaltet uns, und zwar auf bedrohlich vielen Ebenen. Wir erleben es ja gerade. Das Drängen der ums Überleben bangenden Wirtschaft, das Mahnen der Virologen, die Hilferufe erschöpfter Eltern, die Existenzängste der auf Kurzarbeit gesetzten Arbeitnehmer, die Todesängste der Risikogruppen, die Schreie nach Freiheit der "Eingesperrten", die Depression der vom Lagerkoller Erfassten, die Sehnsucht der Fußballer, endlich wieder spielen zu dürfen - und der Frust der Amateure und ganz kleinen Kicker, das nicht zu dürfen.
Viel Dampf unterm Deckel. Also begann der Wettlauf um Lockerungen. Da sind sich nun selbst Politiker gleicher Couleur nicht mehr einig, Bundesländer finden zu keiner gemeinsamen Haltung mehr, einer entnervten Kanzlerin droht die Führung zu entgleiten. Und nun begehren die Bürger auf. Zu Hunderten oder auch Tausenden versammeln sie sich, um ihre Freiheitsrechte einzufordern, um gemeinsam auf Corona zu pfeifen, zu feiern wie immer, wenn das Wochenende naht, sich frei und endlich einmal wieder unbeschwert zu fühlen. Die Polizei steht daneben und weiß nicht mehr, was sie tun soll: eingreifen, abführen, bestrafen, tolerieren, wegschauen? Geht alles so weiter, wird es schiefgehen. Schon steigen die Infektionszahlen wieder. Es ist ein grausames Spiel, das Covid-19 mit uns spielt.
Doch jetzt, wo Solidarität und ein kühler Kopf gefragt wären, kommt Kardinal Gerhard Ludwig Müller ins Spiel. Gemeinsam mit einer Riege hochrangiger Purpurträger vom rechten Flügel befeuert er Verschwörungstheorien, sieht die Corona-Pandemie nur als Mittel zum Zweck, eine rätselhafte Weltregierung in den Sattel zu heben, deren Ziel eine "hasserfüllte technokratische Tyrannei" sei. Gerhard Ludwig Müller spaltet wieder. Das konnte er schon als Regensburger Bischof gut und brachte viel Unfrieden über die Diözese. Als des Amtes enthobener Präfekt der Glaubenskongregation betreibt er sein unseliges Wirken in tiefer Gegnerschaft zu Papst Franziskus nun weiter.
Müller ist "der Donald Trump der katholischen Kirche". Der Spruch wird je nach Gesinnung dem Papst oder Fürstin Gloria von Thurn und Taxis zugeschrieben, die mit dem Kardinal sogar schon bei Steve Bannon, dem rassistisch gesinnten Rechtspopulisten und ehemaligen Chefstrategen im Weißen Haus, zu Gast war. Fürwahr, der Vergleich passt. Trump ist auch fleißig am Spalten, hetzt gegen die Weltgesundheitsorganisation und verbreitet Verschwörungstheorien über die Entstehung von Covid-19 in chinesischen Geheimlaboren.
Wir leben nun in einer Zeit der Masken. Es lohnt sich, dahinter zu schauen, denn in Widerstandskreisen entstehen gerade obskure Allianzen von Verschwörungstheoretikern, Impfgegnern und Politabenteurern. Dass sich hier auch Kardinäle einreihen, ist traurig. Und gefährlich. Denn in dem von Kardinal Müller unterzeichneten Pamphlet wird sogar die Gefährlichkeit und hohe Ansteckungsgefahr von Covid-19 angezweifelt. Wenn dem so ist, dann können sich die Unterzeichner ja gerne in die Krankenhäuser begeben und dort den schwerkranken Corona-Patienten seelischen Zuspruch leisten.