Personalqualen in der Ampel
So schnell kann es gehen. Da gaben sich die drei künftigen Ampel-Koalitionäre in Berlin alle Mühe, ein Bild ungetrübter Eintracht abzugeben. Man habe Brücken über allerlei Trennendes gebaut und wie die schönen Floskeln noch so lauten. Doch schon beim Corona-Management traten deutliche Differenzen zutage. Und nun knallte es, zumindest bei den Grünen, bei den wichtigen Personalentscheidungen heftig.
So schnell kann es gehen. Da gaben sich die drei künftigen Ampel-Koalitionäre in Berlin alle Mühe, ein Bild ungetrübter Eintracht abzugeben. Man habe Brücken über allerlei Trennendes gebaut und wie die schönen Floskeln noch so lauten. Doch schon beim Corona-Management traten deutliche Differenzen zutage. Und nun knallte es, zumindest bei den Grünen, bei den wichtigen Personalentscheidungen heftig.
Längst überwunden geglaubte Flügelkämpfe zwischen Parteilinken und Realos brachen mit Macht neu auf, als es um die wichtigen Kabinettsposten ging. Und dass nun nicht der bayerische Links-Grüne Anton Hofreiter Landwirtschaftsminister wird, sondern der schwäbische Realo-Konkurrent Cem Özdemir, sagt etwas über das innere Machtgefüge der zweitstärksten Ampel-Partei. Solche lähmenden Flügelkämpfe können sich die Grünen in der Regierung aber einfach nicht mehr leisten.
Für den studierten Biologen und Weiterhin-Fraktionschef Hofreiter dürfte die Niederlage schmerzhaft sein. Der Münchner war nicht nur als Landwirtschaftsminister, sondern auch als Verkehrsminister im Gespräch. Doch das ebenfalls wichtige Infrastrukturministerium, in dem auch weiterhin das Digitale angesiedelt bleiben soll, haben die Liberalen ergattert. Mit dem grundsoliden Volker Wissing, Ex-Minister in der Ampel-Regierung von Mainz und Noch-FDP-Generalsekretär, kann die Auto- und Logistikbranche erst einmal aufatmen. Brutale Wendungen, etwa den kategorischen Abschied vom Verbrennermotor, wird es mit dem Liberalen nicht geben. Und statt verbissen einzig auf den Elektro-Antrieb zu setzen, dürfte er auch andere Technologien im Auge behalten und fördern, etwa synthetische Kraftstoffe, die Wasserstoff-Brennstoffzelle und anderes, was den Ausstoß von Klimagasen im Verkehrssektor senkt.
Für den Realo Özdemir, der 1994 als erster Abgeordneter mit Migrationshintergrund in den Bundestag eingezogen war, als Bundesminister spricht indes, dass er am ehesten die bürgerlichen Wähler und Wählerinnen der Grünen ansprechen dürfte. Auch mit dem pragmatischen Schwaben an der Spitze des Ministeriums wird weiter an der "Agrarwende" gearbeitet werden. Doch Özdemir hat als Grünen-Vorsitzender und als Chef des Verkehrsausschusses unter Beweis gestellt, dass er unterschiedliche Akteure an einen Tisch holen und Kompromisse schmieden kann. Während es bei den Grünen regelrechte Personalqualen gab, hatten sich die Liberalen zuvor geräuschlos auf die Besetzung ihrer Ministerposten verständigt. Das war professionell. Als unsichere Kantonisten, wie bei den geplatzten Jamaika-Verhandlungen 2017, wollen Lindner und Co. nicht noch einmal Geschichte schreiben. Die SPD nimmt sich derweil Zeit. Vor allem dürfte das Amt des oder der künftigen Gesundheitsministers/in derzeit wie eine heiße Kartoffel gehandhabt werden. Noch-Minister Jens Spahn hat gezeigt, dass in diesem Job als Corona-Krisenmanager Lorbeeren zu erringen sind, ihm aber auch alle Fehler und Versäumnisse gnadenlos angekreidet werden.
In Bayern muss man sich daran gewöhnen, dass nach 16 Jahren mit jeweils gleich drei Kabinettsmitgliedern in Berlin nahezu Ebbe angesagt ist. Zuletzt hatte der wegen des Pkw-Maut-Desasters hochumstrittene Andreas Scheuer aus Passau viele Investitionen in den Freistaat geholt, nicht zuletzt weil hier Infrastruktur-Planungen rascher vorangingen als im Rest der Republik. Der Geldsegen vom Bund dürfte unter einem FDP-Minister spärlicher ausfallen. Die weiß-blaue Fahne wird, wenn man so will, einzig von der schwäbisch-stämmigen Grünen-Politikerin Claudia Roth als künftige Kulturstaatsministerin hochgehalten. Eine gute Wahl gewiss, aber insgesamt ist der weiß-blaue Freistaat am Ampel-Kabinettstisch leider unterrepräsentiert.