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Merkels Mission birgt ein Risiko

Eine so hochkarätige Konferenz wie am vergangenen Sonntag nach Berlin einzuberufen, schafft derzeit offenbar nur die deutsche Regierungschefin. Angela Merkel hat ihr immer noch enormes internationales Ansehen in die Waagschale geworfen und damit nicht nur die verfeindeten libyschen Bürgerkriegsparteien ins Kanzleramt geholt - auch wenn sich die beiden Spitzenleute immer noch nicht Aug in Aug gegenüber stehen mochten - sondern auch die jeweiligen, hinter dem Konflikt stehenden Staaten.

Geschrieben von Reinhard Zweigler am . Veröffentlicht in Politik.
Die große Treppe im Bundeskanzleramt in Berlin.
Die große Treppe im Bundeskanzleramt in Berlin.
Foto: Tobias Nordhausen / CC BY 2.0 (via Flickr)

Eine so hochkarätige Konferenz wie am vergangenen Sonntag nach Berlin einzuberufen, schafft derzeit offenbar nur die deutsche Regierungschefin. Angela Merkel hat ihr immer noch enormes internationales Ansehen in die Waagschale geworfen und damit nicht nur die verfeindeten libyschen Bürgerkriegsparteien ins Kanzleramt geholt - auch wenn sich die beiden Spitzenleute immer noch nicht Aug in Aug gegenüber stehen mochten - sondern auch die jeweiligen, hinter dem Konflikt stehenden Staaten.

Von der Türkei mit Staatschef Recep Tayyip Erdogan, der die Regierung von Fais al-Sarradsch in Tripolis unterstützt, bis zu Kremlchef Wladimir Putin, der dem mächtigen General Chalifa Haftar zur Seite steht. Vertreten waren auch zahlreiche afrikanische Länder, außerdem Großbritannien sowie Frankreich und Italien, die beide um die Verfügung über libysches Öl konkurrieren. Merkel ist ein Coup gelungen, weil Deutschland in Libyen und dem gesamten nordafrikanischen Raum keine vordergründigen eigenen Interessen verfolgt. Dass sich Berlin im Jahr 2011 - unter einer damals konservativ-liberalen Regierung - nicht an Luftschlägen gegen Diktator Muammar al-Gaddafi beteiligte, brachte damals heftige westliche Kritik ein. Heute jedoch erhöht das die Glaubwürdigkeit Deutschlands als Moderator in einer äußerst verworrenen Lage.

Aber natürlich ist unser Land an Stabilität und Berechenbarkeit in Libyen und den afrikanischen Staaten der Region interessiert, schon weil sich Flüchtlingsströme nicht weiter und unkontrolliert gen Norden aufmachen sollen. Die Kanzlerin hat aus ihrer Politik der nicht geschlossenen Grenzen und des nahezu unbegrenzten Zulaufs von Bürgerkriegsflüchtlingen, aber auch allerhand zwielichtiger bis offen terroristischer Personen, vom Spätsommer 2015 offenbar gelernt. Anders gesagt, die Sicherheit Deutschlands wird auch an den libyschen Grenzen und Küsten verteidigt.

Allerdings darf von der Berliner Konferenz mit ihrem viele wichtige Punkte umfassendem Abschlusspapier niemand Wunderdinge erwarten. Wichtig ist nun, dass aus einem Waffenstillstand eine wirklich dauerhafte Waffenruhe entsteht. Viel leichter aufgeschrieben als umgesetzt sind auch die Auflösung bewaffneter Gruppen und Milizen, ein Waffenembargo und die Entwaffnung in dem ohnehin von Waffen starrenden Land. Ob die Konferenz von Berlin letztlich von Erfolg gekrönt sein wird, entscheidet sich in den nächsten Wochen und Monaten. Es hängt vom ernsthaften Willen der Konfliktparteien in Libyen selbst, aber auch ihrer Unterstützer ab. Das Risiko aber, dass Merkel mit ihrer diplomatischen Großinitiative scheitern könnte, dass auch dieser Vorstoß im Sande der libyschen Wüste verlaufen könnte, ist durchaus vorhanden. Es war gleichwohl richtig, dass die Kanzlerin gemeinsam mit ihrem Außenminister Heiko Maas aktiv geworden ist. Die Alternative wäre gewesen, weiter ohnmächtig zuzuschauen, wie die dramatische Lage in dem geschundenen Land immer noch schlimmer wird.

Allerdings - und ohne dass dies in Berlin bereits zur Sprache gekommen ist - steht nun auch die Frage eines europäischen, speziell eines deutschen, Beitrages zur Durchsetzung der Maßnahmen im Raum. Dabei kann es nicht vordergründig und nicht in erster Linie um die Entsendung von Bundeswehrsoldaten nach Libyen gehen. Es gibt weder eine belastbare Waffenruhe noch ein politisches Konzept, das unsere Soldaten unterstützen sollten. Erneute Abenteuer wie in Afghanistan verbieten sich jedenfalls. Doch gegen ein baldiges Neuaufleben der Marine-Mission Sophia, etwa um Waffenschmuggel über das Meer zu unterbinden und um Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu retten, spricht eigentlich nichts.



Quelle: ots/Mittelbayerische Zeitung