Wer nicht träumt, lebt nicht mehr
In der Polyphonie von Schuldzuweisungen nach dem Ampel-Aus ragte diese Woche vor allem Robert Habeck heraus - indem er gerade nicht persönlich gegen Christian Lindner wurde und nicht in die brutale Abrechnung des beleidigten Kanzlers mit seinem Finanzminister einstimmte.
In der Polyphonie von Schuldzuweisungen nach dem Ampel-Aus ragte diese Woche vor allem Robert Habeck heraus - indem er gerade nicht persönlich gegen Christian Lindner wurde und nicht in die brutale Abrechnung des beleidigten Kanzlers mit seinem Finanzminister einstimmte.
Doch die stillen Gewässer sind oft die gefährlichsten, und es ist offenkundig, dass es die "grüne Transformation", vor allem Habecks Herzensprojekte wie das Heizungsgesetz waren, die die Menschen im Land schnell Ampel-müde gemacht und auch innerhalb des als "Fortschrittskoalition" angetretenen Zweckbündnisses eine enorme Sprengkraft entwickelt haben.
Dass dieser Habeck, der mit staatsmännischer Attitüde nun das Aushängeschild der Grünen werden will, unter einem Bundeskanzler Merz erneut zum Vizekanzler wird, ist eine Vorstellung, die einem Alptraum nahe kommt, denn dann wäre erneut etwas zusammen, was nicht zusammen passt - mit lähmenden Diskussionen, die schädlich wären für das Land und die kriselnde Wirtschaft. Zum Glück verschwendet auch Habeck an eine solche Konstellation keinen Gedanken, sondern will mehr: Mit dem Gemüt des Kinderbuchautors, mit an den Taylor-Swift-Kult erinnernden Perlenbändchen am Handgelenk und Grönemeyers "Zeit, dass sich was dreht", machte er in einem Video bei X klar, dass er sich zu Höherem berufen fühlt - und träumt von der Kanzlerschaft.
Wer aufhört zu träumen, hört auf zu leben, heißt es so schön - und so sei ihm als heimliche Eminenz einer aktuellen Umfragen zufolge 9- bis 11-Prozent-Partei der in diesem Fall lächerliche Titel Kanzlerkandidat gegönnt. Doch nüchtern betrachtet, kommt man nicht umhin, ihm eine gewisse Realitätsverweigerung zu attestieren. Zumal er auch inhaltlich nichts im Köcher hat, was geeignet wäre, die Umfragewerte auch nur in die Nähe einer Kanzlerpartei zu katapultieren.
Ob er mit seiner "Operation Kanzleramt" wirklich die grüne Basis überzeugen kann und die dringend notwendigen alten und neuen Wählergruppen mobilisiert, wird sich schon in ein paar Tagen beim Bundesparteitag in Wiesbaden zeigen, der zur Krönungsmesse für den gescheiterten Wirtschaftsminister werden soll. Die tendenziell eher links orientierten Delegierten könnten Habeck ausbremsen, bevor der Wahlkampf überhaupt begonnen hat. Schwer vorstellbar, dass sie sich mit Habecks Hybris anfreunden können. Doch unberechenbar waren die Grünen schon immer.