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Die Neiddebatte der SPD

Der Bundeskanzler, dem die Deutschen die bisher letzte echte Steuerreform zu verdanken haben, war Sozialdemokrat. Er hieß Gerhard Schröder. Damals, vor fast 20 Jahren, senkte er den Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer auf jene 42 Prozent, die heute noch gelten. Heute mag sich ausgerechnet die SPD nicht mehr daran erinnern.

Geschrieben von Philipp Neumann am . Veröffentlicht in Politik.
Gerhard Schröder
Gerhard Schröder
Foto: Henning Schlottmann / CC BY 3.0 (via Wikimedia Commons)

Der Bundeskanzler, dem die Deutschen die bisher letzte echte Steuerreform zu verdanken haben, war Sozialdemokrat. Er hieß Gerhard Schröder. Damals, vor fast 20 Jahren, senkte er den Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer auf jene 42 Prozent, die heute noch gelten. Heute mag sich ausgerechnet die SPD nicht mehr daran erinnern.

Die aktuelle Steuerpolitik der SPD zielt in die entgegengesetzte Richtung von Schröders Reform. Von Entlastung ist kaum mehr die Rede. In der großen Koalition hat die SPD erreicht, dass der Soli-Zuschlag zu einer Extrasteuer für Gutverdiener ausgebaut wird. Für die Zeit nach der GroKo fordert sie die Wiedereinführung der Vermögensteuer.

Das Signal, das die Genossen damit senden, ist unüberhörbar: Gut situierte Angestellte, Selbstständige und Unternehmer sollen noch mehr zahlen. Schröder wurde damals Kanzler, weil er auch die gut verdienende Mitte erreicht hat. Heute lässt die SPD diese Mitte leichtfertig rechts liegen und will auf ihre Stimmen verzichten.

Kurzfristig geht es den Sozialdemokraten allein darum, einen (weiteren) Absturz bei den Landtagswahlen im Osten zu verhindern. Einen anderen Grund, die Pläne zur Vermögensteuer ausgerechnet jetzt zu veröffentlichen, gibt es nicht. Auf den letzten Metern vor der Wahlurne will die SPD noch einmal als Gerechtigkeitspartei punkten. Es ist aber schwer zu glauben, dass die Genossen das Ziel mit ihrem Konzept der Vermögensteuer noch erreichen.

Das fünfseitige Papier, das die Partei am Montag vorgelegt hat, enthält nicht viel mehr als heiße Luft. Darin stehen keine Angaben, ab welcher Vermögenshöhe die Steuer erhoben werden soll. Es gibt keine Angaben, was überhaupt zum Vermögen gezählt wird. Welche Freibeträge soll es geben? Wie geht man mit Immobilien um, die ohne Zutun des Besitzers im Wert steigen? Wie werden Kunstgegenstände bewertet? Alle diese Fragen bleibt die SPD schuldig.

Gerade weil das Konzept der SPD so nebulös ist, entwickelt sich nun genau die Neiddebatte, die die Partei angeblich verhindern will. Und auch wenn es nur um die Frage gehen soll, welche Reichen, Superreichen oder Millionäre sich vor der Finanzierung unseres Gemeinwesens drücken: Die SPD verunsichert weite Teile einer Bevölkerung, in der immer mehr vererbt wird. Ob diese Bürger bald noch sozialdemokratisch wählen?

Die Debatte um die Vermögensteuer ist vor allem eines: eine Scheindebatte. Sie dient der Selbstvergewisserung einer verunsicherten Partei. Denn es ist völlig offen, ob die Vermögensteuer überhaupt in die Nähe der Umsetzung kommen wird. Weil die Einnahmen aus der Steuer den Ländern zustehen, müssen diese bei der Gesetzgebung ein Wort mitreden. Die Bundesländer aber, in denen CDU, CSU oder auch FDP mitregieren, werden eine Vermögensteuer kaum mittragen.

Es trifft zu, dass sich große Teile des Vermögens in Deutschland auf relativ wenige Menschen konzentrieren. Es gibt Manager mit hohen, ja überzogenen Gehältern. Es gibt Erben, denen ohne eigene Anstrengung Vermögen in den Schoß fällt. Es gibt auch Menschen, die allein von Kapitalerträgen leben. Das ist oft ungerecht, weil unverdient. Aber: Alle diese Einkunftsarten werden bereits von Steuern erfasst. Die SPD kann nicht plausibel erklären, warum einmal versteuertes Einkommen erneut versteuert werden muss. Sie kann nicht erklären, warum sie eine neue Steuer braucht, obwohl sie vorhandene verbessern könnte.

Vor allem aber leuchtet sehr vielen Menschen in diesem Land nicht ein, weshalb der Staat trotz eines zehn Jahre dauernden Wirtschaftsbooms und stetig steigender Steuereinnahmen noch immer nicht mit seinem Geld auskommt.



Quelle: ots/Berliner Morgenpost