Die GroKo wackelt weiter
Der gordische Knoten sei durchschlagen, frohlockte Annegret Kramp-Karrenbauer. Einen "sozialpolitischen Meilenstein" feierte SPD-Chefin Malu Dreyer. Doch außerhalb des illustren Zirkels der Koalitionäre, die den Kompromiss zur Grundrente am Sonntag schlussendlich doch noch ausgehandelt haben, blieb der Konfettiregen aus. Schon am Tag danach ist klar: So richtig glücklich ist mit dieser Einigung kaum jemand.
Der gordische Knoten sei durchschlagen, frohlockte Annegret Kramp-Karrenbauer. Einen "sozialpolitischen Meilenstein" feierte SPD-Chefin Malu Dreyer. Doch außerhalb des illustren Zirkels der Koalitionäre, die den Kompromiss zur Grundrente am Sonntag schlussendlich doch noch ausgehandelt haben, blieb der Konfettiregen aus. Schon am Tag danach ist klar: So richtig glücklich ist mit dieser Einigung kaum jemand.
In der Bevölkerung freuen sich zwar die einen über ein kleines Plus auf dem Konto ab 2021 - andere kritisieren allerdings schon die Folgekosten für die kommenden Generationen. Und viele Genossen fragen bereits jetzt, was eigentlich mit denen ist, die nur 34 Jahre Beiträge gezahlt haben. Denn es ist ja klar, dass es für einige Rentner, vor allem Frauen, trotz Anrechnung von Erziehungs- und Pflegezeiten nicht ganz reichen wird.
Nicht wenige Unionsabgeordnete verlangen derweil Rechenschaft darüber, warum die SPD nun doch ohne Bedürftigkeitsprüfung davongekommen ist, obwohl die doch im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurde. Der Wirtschaftsflügel soll sich bereits im Vorfeld mit einem mehr drohenden als mahnenden Brandbrief an die Kanzlerin gewandt haben. Und Fraktionschef Ralph Brinkhaus räumte am Sonntagabend ein, dass in Teilen der CDU und CSU noch einiges an "Überzeugungsarbeit" geleistet werden müsse. Es grummelt weiter. Weder in der SPD noch in der CDU verstummen die Kritiker der andauernden wässrigen Kompromisspolitik. Im Gegenteil. Wer gedacht hatte, die Einigung in letzter Sekunde würde der GroKo neue Stabilität verleihen, sieht sich getäuscht. Das liegt auch daran, dass sowohl die SPD als auch die CDU vor wichtigen, vielleicht richtungsweisenden Parteitagen stehen.
Die SPD muss dringend eine Führungsspitze finden, die sie vor dem endgültigen Absturz in die Bedeutungslosigkeit bewahrt. Allein die Grundrente, die sie jetzt auf Biegen und Brechen durchgesetzt hat, wird die SPD nicht retten. Schließlich haben auch ihre bisherigen unbestrittenen sozialpolitischen Erfolge als Mit-Regierungspartei den Niedergang nicht verhindert. In der CDU werden unterdessen die Stimmen derer immer lauter, die fürchten, dass die Christdemokraten ebenfalls vom Sog der ungeliebten Koalition in die Tiefe gezogen werden. Fast zwölf Prozentpunkte Verlust bei der Wahl in Thüringen betrachten sie als Menetekel. Erst wurden die Sozialdemokraten in Angela Merkels Umarmung langsam erstickt. Nun droht selbst die eigene Partei an der müde gewordenen Kanzlerschaft Merkels, ihrem zuletzt konturlosen, nur noch als Strippenziehen im Hintergrund wahrgenommenen Regieren Schaden zu nehmen. Da nützt all der öffentlichkeitswirksame Jubel, die zur Schau gestellte Eintracht nichts.
Die Regierungsparteien selbst haben die Grundrente in den vergangenen Monaten zum Schicksalsthema hochgejazzt. In weiten Teilen der Bevölkerung sieht man das nüchterner. Die SPD-Klientel, der die "Respekt-Rente" in erster Linie zugutekommen soll, fragt sich durchaus auch, wie gerecht ein Wohlfahrtsstaat tatsächlich ist, der seine Segnungen mit der Gießkanne verteilt und der offenbar nicht danach fragt, ob das alles auch nach der laufenden Legislatur noch finanzierbar ist. Die Mittelschicht mit ihren weder ganz kleinen noch ganz großen Einkommen, die in Deutschland besonders stark mit Steuern und Abgaben belastet ist und von dem Segen bisher wenig abbekommen hat, fragt sich das schon länger.
Nein, die GroKo hat keinen Knoten durchschlagen, sondern nur an einem heillos verwirrten Knäuel gezupft. Statt des großen Wurfs ist ein kleiner Schritt gelungen - und in welche Richtung der führt, weiß vielleicht nicht einmal die Regierung selbst.