Die EU und Polen
Es ist die Stunde der Bekenntnisse. »Mir liegt viel daran, dass Sie nach der heutigen Debatte überzeugt sind, dass Polen zu Europa gehört wie auch die Staaten, die Sie hier vertreten«, sagte Beata Szydlo im Europäischen Parlament. Die Regierungschefin eines großen Mitgliedslandes ist gekommen, um sich zu verteidigen, Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit ihres Landes zu zerstreuen.
Es ist die Stunde der Bekenntnisse. »Mir liegt viel daran, dass Sie nach der heutigen Debatte überzeugt sind, dass Polen zu Europa gehört wie auch die Staaten, die Sie hier vertreten«, sagte Beata Szydlo im Europäischen Parlament. Die Regierungschefin eines großen Mitgliedslandes ist gekommen, um sich zu verteidigen, Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit ihres Landes zu zerstreuen.
Die latente Ungeheuerlichkeit dieser Zeremonie wird wohl nur demjenigen deutlich, der sich für einen Moment vorstellt, die Bundeskanzlerin würde sich in Straßburg für ein deutsches Gesetz verteidigen müssen. Doch die Ehrlichkeit der Debatte wurde getrübt. Vor allem durch einen Brief der polnischen Regierung an die Brüsseler EU-Kommission, der erst eine Stunde vorher eintraf und dessen Inhalt niemand mehr prüfen konnte. So blieb es leicht, sich aus der Affäre zu ziehen und auf ein Schreiben zu verweisen, das niemand wirklich kannte.
Die Ministerpräsidentin aus Warschau begründet die Eingriffe in
den Verfassungsgerichtshof und die Korrekturen der Mediengesetze plausibel, sogar nachvollziehbar. Sie verweist auf das Gutachten einer unabhängigen Expertenkommission des Europarates, das keinerlei Bedenken hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit ihrer Regierung äußert.
Die Debatte in der europäischen Abgeordnetenkammer hinterlässt trotzdem einen seltsamen Eindruck. Einerseits gehört es zu den Stärken dieser Gemeinschaft, dass sie nun über ein Instrument verfügt, um sogar rechtsstaatliche Bedenken gegen ein Mitglied öffentlich vor den Vertretern aller Länder zu diskutieren. Und zweifellos ist es Beata Szydlo auch gelungen, so manchen scharfen Kritiker nachdenklich zu machen und ihm die Frage aufzuzwingen, ob er nicht voreilig und noch dazu auf der Grundlage halbgarer Informationen ge- und verurteilt hat.
Aber andererseits reichen die hehren Schwüre der polnischen Spitze zu Europa nicht. In Warschau muss man wissen, dass die EU nun genauer hinschaut und sich auch fragen wird, wie weit es mit der Solidarität Polens her ist. Denn außer Selbstverteidigung ist nichts aus der Hauptstadt gekommen, was darauf schließen lässt, dass diese Union ein Herzensanliegen der neuen Regierung ist.
Insofern hat Szydlo eine Chance verpasst. Die etwas farblos wirkende Politikern der konservativen PiS wirkte zeitweise so, als habe ihr Parteichef Jaroslaw Kaczynski jedes Wort aufgeschrieben.
Sie nutzte die Gelegenheit nicht, die Kritiker durch einen wirklich überraschenden Vorstoß mundtot zu machen. Wie sehr hätte Warschau doch mit einem Vorpreschen zur Aufnahme der Flüchtlinge punkten können. Doch Szydlo blieb dabei, die zwei Punkte anzusprechen, die für Aufregung gesorgt hatten, anstatt das durchscheinen zu lassen, was sie vollmundig ankündigte: Polen so zu führen, dass es einen Platz in einer starken Gemeinschaft hat.