Zum Hauptinhalt springen
Gas-Embargo

Stark bleiben

Die Bilder der Leichen auf den Straßen, Resultat menschlicher Verrohung, wird man auch Tage später nicht los.

Geschrieben von Michael Klein am . Veröffentlicht in Meinung.
Wir wollen helfen. Sofort. Damit das Morden endet. Man müsse nur den Gashahn zudrehen, dann würde der Schlächter aus Moskau kapitulieren, rufen viele.
Wir wollen helfen. Sofort. Damit das Morden endet. Man müsse nur den Gashahn zudrehen, dann würde der Schlächter aus Moskau kapitulieren, rufen viele.
Foto: Arno Senoner

Die Bilder der Leichen auf den Straßen, Resultat menschlicher Verrohung, wird man auch Tage später nicht los.

Wut, Hass, Trauer, Hilflosigkeit - die Gefühle fahren Achterbahn bei dem, was Putins Krieg in der Ukraine anrichtet. Zu Recht. Alles andere wäre unmenschlich. Wir wollen helfen. Sofort. Damit das Morden endet. Man müsse nur den Gashahn zudrehen, dann würde der Schlächter aus Moskau kapitulieren, rufen viele. Doch der ist längst entmenschlicht. Und er weiß genau, was er tut.

Er hat es auch in zig Kriegen zuvor gewusst, die er gegen Unschuldige, Kinder, Greise, Schwangere, Menschen wie wir, geführt hat. Trotzdem war es nicht falsch, darauf zu setzen, dass er nicht sein eigenes Land in den Abgrund führen würde. Wandel durch Handel - dieser Weg ist im Verhältnis mit Putin gescheitert. Aber er ist nicht für immer und für überall gescheitert. Auf Abgrenzung und Konfrontation zu setzen, kann nicht der Weg zu einer friedlichen Welt sein, wie wir demokratische Europäer sie uns erschaffen haben. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier muss nicht in Sack und Asche gehen, weil er einst als Außenminister diesem europäischen Leitgedanken gefolgt ist. Jetzt ist die Zeit eine andere. Harte Sanktionen gegen den Aggressor? Selbstverständlich! Unsere freie Welt, all ihre Errungenschaften, die uns selbstverständlich geworden sind, mit dem Mittel der militärischen Abschreckung verteidigen? Was denn sonst! Die Freiheit, die wir leben, haben unsere Vorfahren in Jahrhunderten erkämpft. Sie aufgeben, wenn sie bedroht ist? So würden wir auch vor der Geschichte nicht bestehen. Aber wichtig ist: Nur auf der Gefühlsachterbahn schaffen wir das nicht.

Was ist klug? Putin durch militärisches Eingreifen so weit zu reizen, dass er noch schlimmere Waffen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung einsetzt? Sicher nicht. Ihn, der von nichts so besessen ist wie von historisch verbrämten Eroberungsgedanken. Und ist es klug, wenn wir uns selbst angesichts dieser Bedrohung schwächen? Die Folgen eines sofortigen Gas-Embargos sind für uns nicht absehbar. Es ist blauäugig zu glauben, man könne eine solche Strafe für drei Monate verhängen und dann würde Putin schon wieder liefern. Der Schritt wäre unumkehrbar. Für den Krieger Putin ist ein Stopp der Gaslieferungen jedoch kein Grund, die Ukraine in Frieden zu lassen. Im Gegenteil. Er hat sein Waffenarsenal noch lange nicht ausgeschöpft. Und er beendet Kriege erst, wenn er sie gewonnen hat. Deshalb ist es klug, trotz allem einen kühlen Kopf zu bewahren. Die Freiheit zu verteidigen, schließt neben wirtschaftlichen Strafen und militärischer Abschreckung unbedingt das Offenhalten der Gesprächskanäle ein. Wir müssen auch mit Despoten reden, von denen es nicht wenige auf der Welt gibt. Und wir müssen stark bleiben. Uns jetzt und für immer von der russischen Gasversorgung abzuklemmen, würde uns nachhaltig schwächen. Ein Deutschland in einer massiven Wirtschaftskrise, wie es sie seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht gab, wäre keine gute Voraussetzung für die Verteidigung der Freiheit. Es ist ein Segen für unser Land, dass die Bundesregierung von diesem klugen Gedanken geleitet ist. Und dass die Opposition ihn teilt.

Quelle: Allgemeine Zeitung Mainz