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Pandemie-Regeln: Mehr Einheitlichkeit ist gefragt

Rückblick auf den Frühsommer: Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder trafen sich im Zwei-Wochen-Rhythmus, um im Kampf gegen Corona eine gemeinsame Linie zu finden. Doch Gemeinsamkeit war oft mehr Wunsch denn Wirklichkeit. Jeder Kompromiss musste hart erkämpft werden. Aus einer dieser Runden ist ein Ausruf von Angela Merkel überliefert: "Ich bin kurz davor, aufzugeben." Der sonst so nüchternen Kanzlerin war der Kragen geplatzt wegen der Sturköpfigkeit manch eines Landesoberhaupts.

Geschrieben von Jana Wolf am . Veröffentlicht in Meinung.
Der sonst so nüchternen Kanzlerin war der Kragen geplatzt wegen der Sturköpfigkeit manch eines Landesoberhaupts.
Der sonst so nüchternen Kanzlerin war der Kragen geplatzt wegen der Sturköpfigkeit manch eines Landesoberhaupts.
Foto: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Rückblick auf den Frühsommer: Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder trafen sich im Zwei-Wochen-Rhythmus, um im Kampf gegen Corona eine gemeinsame Linie zu finden. Doch Gemeinsamkeit war oft mehr Wunsch denn Wirklichkeit. Jeder Kompromiss musste hart erkämpft werden. Aus einer dieser Runden ist ein Ausruf von Angela Merkel überliefert: "Ich bin kurz davor, aufzugeben." Der sonst so nüchternen Kanzlerin war der Kragen geplatzt wegen der Sturköpfigkeit manch eines Landesoberhaupts.

Wenn die Spitzen aus Bund und Ländern heute zum ersten Mal seit Juni zusammenkommen, kann es wieder zäh werden. Die Infektionszahlen steigen bedrohlich an. Wieder geht es darum, die Pandemie-Regeln bundesweit abzustimmen. Ob bei der zulässigen Größe von Privatfeiern, Bußgeldern bei Regelverstößen oder Hygienekonzepten an Schulen - mehr Einheitlichkeit ist jetzt gefragt. Ein guter Kompromiss muss her! Die Vorstöße im Vorfeld machen allerdings wenig Hoffnung: Der bayerische Ministerpräsident machte sich gestern für höhere Strafen für Masken-Verweigerer und Quarantänebrecher und gegen Lockerungen bei Fußballspielen oder Großkonzerten stark. Markus Söder schickt damit ein deutliches Signal nach Sachsen-Anhalt, wo Landeschef Reiner Haseloff eine stufenweise Rückkehr von Fans in Sport- und Konzerthallen plant. Sein ostdeutscher Kollege Michael Kretschmer aus Sachsen beharrt auf landesspezifischen Regeln. Bundesweite Lösungen lehnt er ab und findet, in die Debatte um angemessene Regeln müsse "wieder mehr Sachlichkeit" kommen. Diese himmelweit auseinanderklaffenden Positionen klingen nicht gerade danach, dass es heute sachlich zugehen wird. Im Gegenteil.

Tatsächlich ist in Berlin die Skepsis groß, dass sich Bund und Länder zu einheitlichen Regeln durchringen können. Dabei gibt es genau dafür viele gute Gründe. Thema Bußgelder: Wer im Bus keine Maske trägt, dem drohen in Bayern derzeit 250 Euro Strafe (bei zweimaligem Verstoß sogar 500), in Niedersachsen 150, in Hessen 50 und in Brandenburg 0 Euro. Die Logik dahinter erschließt sich nicht. Gleiches gilt beim Bruch einer Quarantäne: Besteht das Risiko einer Infektion, ist die betroffene Person für andere Menschen in Rostock genauso gefährlich wie in München. Deswegen sollten auch bei der Quarantäne überall gleiche Regel gelten. Thema Schulen: In Bayern sind zwar noch Ferien, aber schon jetzt ist klar, dass es eine Maskenpflicht außerhalb des Unterrichts geben wird. In Sachsen-Anhalt muss der Mund-Nase-Schutz nur an den ersten beiden Tagen nach den Ferien getragen werden, danach sollen die Schulleitungen entscheiden, ob und wie es mit der Maske weitergeht. Wer bitte soll das noch nachvollziehen können?

Es braucht hier einleuchtende und einheitliche Regeln. Das ist auch eine Frage der Akzeptanz. Besonders kniffelig dürfte die Kompromissfindung bei den Auflagen für Familienfeiern, Partys oder Hochzeiten sein. Auch hier bleibt Söder seinem Kurs treu und plädiert für mehr Strenge. Baden-Württemberg hat er auf seiner Seite. Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen dagegen lehnen einheitliche Obergrenzen für Feiern ab. Nimmt man all das zusammen, spricht vieles dafür, dass das heutige Treffen zum föderalen Kräftemessen wird. Doch genau darum darf es nicht gehen. Nun sollte man den Föderalismus nicht gleich verteufeln. Gerade in der frühen Corona-Phase hat er sich bewährt und dabei geholfen, regional reagieren zu können. Heute aber wissen wir mehr über das Virus. Schon einzelne Infektionen können verheerende Folgen haben - das zeigen Fälle in Fleischbetrieben oder die Geburtstagsfeier von Bodenwöhr. Trotz unterschiedlicher Infektionszahlen, ein Risiko gibt es überall. Deswegen sollten in sensiblen Bereichen auch überall gleiche Regeln gelten. Diese Pandemie ist nicht die Zeit für machtpolitische Alleingänge.

Quelle: ots/Mittelbayerische Zeitung