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Korruptionssumpf Regensburg - Übrig blieb davon nichts

Endlich Gewissheit. Nach 60 Prozesstagen verlässt Joachim Wolbergs das Landgericht Regensburg ohne Strafe. Die Richter wischten in der Urteilsbegründung Anklagepunkt um Anklagepunkt vom Tisch. Übrig blieb eine Vorteilsnahme in zwei Fällen für Spenden in Höhe von 150 000 Euro zwischen 2015 und 2016, als Wolbergs schon OB war. Aber auch hier sah die Strafkammer keine Anhaltspunkte, dass er von Strohmannspenden wusste oder mit ihnen rechnete. Ein Verstoß gegen das Parteiengesetz kam deswegen nicht in Betracht.

Geschrieben von Josef Pöllmann am . Veröffentlicht in Meinung.
Foto: Austernfischer ry / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Endlich Gewissheit. Nach 60 Prozesstagen verlässt Joachim Wolbergs das Landgericht Regensburg ohne Strafe. Die Richter wischten in der Urteilsbegründung Anklagepunkt um Anklagepunkt vom Tisch. Übrig blieb eine Vorteilsnahme in zwei Fällen für Spenden in Höhe von 150 000 Euro zwischen 2015 und 2016, als Wolbergs schon OB war. Aber auch hier sah die Strafkammer keine Anhaltspunkte, dass er von Strohmannspenden wusste oder mit ihnen rechnete. Ein Verstoß gegen das Parteiengesetz kam deswegen nicht in Betracht.

Für Joachim Wolbergs ist dieses Urteil ein gefühlter Freispruch. Jetzt stellt sich die Frage, ob die Landesanwaltschaft die Suspendierung vom OB-Amt aufhebt und ihn ins Alte Rathaus zurücklässt. Auch wenn die Behörde gestern noch auf die Bremse trat und das Urteil erst einmal bewerten will, kann am Ende nur ein klares Ja stehen. Denn nach dem Mammutprozess steht fest: Der OB war nicht käuflich. Eine nun mögliche Revision beim Bundesgerichtshof und weitere Prozesse, die gegen Wolbergs anstehen, sehen nach der Beweislage im beendeten Verfahren sogar Justiz-Experten kritisch.

Wolbergs wird sich im Klaren darüber sein, dass er trotz des Freispruchs in Regensburg viele Sympathien verloren hat. Seine fehlenden Management-Qualitäten, die im Prozess zur Sprache kamen, dürften einstige Fans erschreckt haben. Immer wieder entschuldigte er sich vor Gericht mit Schludrigkeiten. Er gab zu, in Vertragsbesprechungen beim Notar nicht zugehört zu haben. Bei wichtigen Themen habe er Mails nicht gelesen. Wolbergs wäre beinahe an sich selbst gescheitert. Denn das Verfahren war ein Indizienprozess, in dem am Ende nur zählte, wem das Gericht mehr Glauben schenkt. Und Wolbergs hatte Glück, dass es ihm mehr glaubte.

Paradox ist: Gerade für diese Hemdsärmeligkeit in seiner Amtsführung hatten ihn viele Regensburger geschätzt. Hier eine Hilfe, da eine Unterstützung. Wolbergs, der Kümmerer. Die Menschen glaubten, "Wolli" sei einer von ihnen - kein steriler Aktenfresser. Wenn er ins Amt zurückkehrt, werden die Regensburger einen zurückhaltenderen Joachim Wolbergs erleben. Die Regensburger Stadtverwaltung hat jetzt die Aufgabe, die Folgen des Prozesses aufzuarbeiten. Ob es intern dafür Personen mit Leader-Fähigkeiten gibt, die das können, ist unklar. Dabei braucht es eine genaue Analyse und Antworten auf wichtige Fragen: Wie nah dürfen sich Politik und Wirtschaft kommen? Dass ein Stadtratsmitglied in der Vorbereitung von Ausschreibungen Dokumente an Bauträger herausgibt, ist ein Unding. Und: Wie ernst nimmt das Personal Regelungen gegen Korruption? Denn die Haltung von Führungskräften und die Sensibilität der Mitarbeiter sind genauso wichtig wie eine funktionierende Anti-Korruptionsrichtlinie.

Eine weitere Behörde kämpft nach dem Urteil im Fall Wolbergs um ihr Ansehen: die Regensburger Staatsanwaltschaft. Die vielen Pannen, die sich Ankläger und Polizei seit dem Beginn der Ermittlungen geleistet haben, bedürfen der Aufklärung. Die Richterin klagte mehrmals über diese Schlampereien und konstatierte, die Telekommunikationsüberwachung habe "nichts als Ärger" bereitet. Damit meinte sie nicht nur Gespräche, die Privatangelegenheiten der Angeklagten betrafen oder Telefonate mit Verteidigern, die nicht gelöscht wurden. Skandalös waren die Verschriftungen der Telefonüberwachung, in denen entscheidende und entlastende Passagen fehlten oder falsch interpretiert wurden. Mehrmals war vor Gericht von erheblichen Grundrechtsverstößen die Rede. Clemens Prokop, der künftige Chef der Staatsanwaltschaft, hat eine Herkulesaufgabe vor sich. Er muss eine Untersuchung anstoßen, aufklären und Schuldige klar benennen, um das Misstrauen gegen die Ankläger dauerhaft auszuräumen.



Quelle: ots/Mittelbayerische Zeitung