Verbrauchertäuschung mit Medikamenten-Siegel
Bei der Vergabe des Preises "Medikament des Jahres" werden dubiose Praktiken angewandt. Das zeigen Recherchen des NDR Wirtschafts- und Verbrauchermagazins "Markt". Die Auszeichnung wird vom Bundesverband Deutscher Apotheker vergeben und ist nach Auffassung der Wettbewerbszentrale wettbewerbswidrig.
Bei der Vergabe des Preises "Medikament des Jahres" werden dubiose Praktiken angewandt. Das zeigen Recherchen des NDR Wirtschafts- und Verbrauchermagazins "Markt". Die Auszeichnung wird vom Bundesverband Deutscher Apotheker vergeben und ist nach Auffassung der Wettbewerbszentrale wettbewerbswidrig.
Jedes Jahr prämiert der Bundesverband Deutscher Apotheker in zahlreichen Kategorien die "Medikamente des Jahres". Den Titel und das goldene Siegel nutzen zahlreiche Pharmahersteller für die Werbung. So schmückte sich "Wick MediNait" in der Fernsehwerbung mit dem Titel "Erkältungsmedikament des Jahres 2014", andere freuen sich im Internet über den "Pharma-Oscar". In diesem Jahr wirbt unter anderem das Schlankheitsmittel "formoline L112" mit dem Hinweis "Schlankheitsmittel des Jahres 2015".
Rechtsanwältin Christiane Köber von der Wettbewerbszentrale in Bad Homburg: "Nach unserer Auffassung ist dieses Siegel wettbewerbswidrig. Denn der Verbraucher enthält keine Informationen darüber, wie dieses Siegel zustande gekommen ist. Für ihn ist nicht zu erkennen, was geprüft wurde". Die Wettbewerbszentrale kritisiert, dass bei den Verbrauchern der Eindruck erweckt werde, der Apothekerverband habe das wirkungsvollste Mittel ausgezeichnet. Tatsächlich werden Wirksamkeit und Zusammensetzung der prämierten Produkte im Zusammenhang mit der Preisverleihung jedoch nicht noch einmal geprüft. Grundlage ist hier nach Angaben des BVDA eine Umfrage unter Apothekern, bei der abgefragt wird, wie häufig sie ein bestimmtes Medikament im kommenden Jahr empfehlen werden.
Nach Auffassung des Arzneimittelexperten Prof. Gerd Glaeske von der Universität Bremen sind unter den Preisträgern viele Produkte, deren Wirksamkeit und Zusammensetzung nicht ausreichend belegt sei: "Wir haben hier Produkte dabei, die erhebliche Kritik auf sich gezogen haben in der letzten Zeit. Sie sind vielleicht ökonomisch interessant, fallen aber in der Selbstmedikation für mich durch. Insofern ist das aus meiner Sicht alles wenig geeignet, um eine Kompetenz der Apotheker darzustellen."
Die Wettbewerbszentrale sieht in der Verwendung des Siegels in der Werbung zudem einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz. Dieses untersagt es, mit der Empfehlung von Apothekern für Arzneimittel zu werben. Mit dieser Begründung urteilte auch das Oberlandesgericht Frankfurt am 12. Februar 2015, dass Procter & Gamble sein Präparat "Wick MediNait" nicht länger als "Erkältungsmittel des Jahres 2014" bewerben darf.
Obwohl der Name es für den Verbraucher vielleicht so klingen lässt: Der Bundesverband Deutscher Apotheker ist nicht die Spitzenorganisation der Apothekerschaft in Deutschland, das ist die ABDA, die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Für die ABDA ist die Preisverleihung zum "Medikament des Jahres" ein Ärgernis: "Die ABDA distanziert sich von derartigen Maßnahmen und würde sie selbst auch nicht durchführen."
Der Bundesverband Deutscher Apotheker war bisher zu keiner Stellungnahme gegenüber dem NDR bereit.
Mehr zum Thema in der Sendung "Markt" am Montag, 30. März, 20.15 Uhr im NDR Fernsehen und auf www.ndr.de/markt.